Ermutigung und große Sorge: Die Asylpolitik der Koalition

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Ermutigung und große Sorge: Die Asylpolitik der Koalition
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD bringt für Einwanderer zum Teil Verbesserungen. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), übt in seinem Gastkommentar auch Kritik, weil Schutzsuchende abgewiesen werden.

Koalitionsverträge dokumentieren immer Kompromisse. Im vorliegenden Entwurf, der nun von der Parteibasis der SPD beraten werden soll, geht es ausdrücklich um Migration, Integration und Flüchtlinge. Eine erste Bewertung vor dem Hintergrund der bisher formulierten kirchlichen Positionen fällt aber gemischt aus.

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Zu begrüßen ist das Vorhaben der Koalitionäre, eine alters- und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung einzuführen. Dafür haben sich die christlichen Kirchen in der Vergangenheit immer wieder ausgesprochen. Jetzt ist allerdings wichtig, darauf zu achten, dass die Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung tatsächlich erfüllbar sind. Positiv ist auch die angekündigte Abschaffung der Optionspflicht zu bewerten, die in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bisher zwang, am 23. Geburtstag eine ihrer Staatsangehörigkeiten abzugeben. Bedauerlich ist, dass doppelte Staatsbürgerschaften weiterhin nicht grundsätzlich hingenommen werden und damit Ungleichbehandlungen bestehen bleiben.

Im Blick auf die steigende Zahl von Schutzsuchenden in Deutschland ist eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge wünschenswert, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Wenn Menschen viele Monate, mitunter Jahre auf die Entscheidung ihrer Asylanträge warten müssen, bedeutet das für sie meist eine enorme psychische Belastung und es verhindert Integration. Jedoch muss auch bei verkürzten Verfahrensdauern eine gründliche Prüfung jedes Einzelfalles weiterhin gewährleistet bleiben.

Diskriminierungen von Roma könnten als Asylgrund gelten

Asylbewerber und Geduldete sollen zukünftig bereits nach drei Monaten einen – leider immer noch nachrangigen – Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten und frühzeitig an Sprachkurse teilnehmen können. Das zeigt meines Erachtens, dass langsam auch in der Politik der Gedanke Raum greift: diese Menschen möchten sich von Anfang an aktiv und möglichst selbstbestimmt ins öffentliche Leben unseres Landes einbringen und sie sollten das auch dürfen. Die geplante Lockerung der Residenzpflicht ist hingegen nur eine sehr bescheidene Verbesserung, weil die meisten Bundesländer sie bereits auf das jeweilige Bundesland ausgeweitet haben. Gut ist, dass für Studierende, Auszubildende und Berufstätige die räumliche Beschränkung aufgehoben werden soll.

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Sehr kritisch sehe ich das Vorhaben, Länder wie Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Damit blieben Schutzsuchende aus diesen Ländern zukünftig in Deutschland schutzlos. Gerade vor dem Hintergrund, dass Angehörige von Minderheiten wie der Roma in diesen Ländern nach wie vor in großem Maße beim Zugang zu Arbeit, Gesundheit und Wohnungsmarkt diskriminiert werden, kann ich dies nicht nachvollziehen. Wer sich die Lebensumstände vor Ort ansieht und entsprechende Studien zur Kenntnis nimmt, kann nicht allen Ernstes behaupten, es gäbe grundsätzlich keine Gründe, aus den meist schrecklichen Zuständen zu fliehen. Unsere kirchlichen Experten sind der Ansicht, dass die Summe der Diskriminierungen von Roma durchaus als Asylgrund gelten könnte. In anderen EU-Ländern wie beispielsweise Belgien trägt die Anerkennungspraxis dem schon Rechnung.

Ermutigend ist die Ankündigung, das Neuansiedlungsprogramm, bei dem besonders schutzbedürftige Menschen aus dem Ausland dauerhaft aufgenommen werden, zu verstetigen und es quantitativ "deutlich auszubauen". Auch die Ankündigung, den Familiennachzug für Resettlement-Flüchtlinge zu erleichtern, ist sehr zu begrüßen. Genau dafür haben wir in kirchlichen Stellungnahmen in den letzten Jahren immer wieder geworben. Auch die jetzt geplante vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im Blick auf minderjährige Flüchtlinge fordern wir seit Jahrzehnten. Damit würden Minderjährige im Asylverfahren endlich auch als solche behandelt und damit der Jugendhilfe Vorrang gegeben.

Sind Libyen, Syrien, Afghanistan oder Eritrea geeignete Partner?

Große Sorgen habe ich, wenn ich lese, dass die künftige Bundesregierung mit Hilfe von "Herkunfts- und Transitstaaten" irreguläre Migration bekämpfen möchte. Da möchte ich kritisch fragen, ob etwa Libyen, Syrien, Afghanistan oder Eritrea dafür geeignete Kooperationspartner sind. Die vorgesehene "Strategie für Migration und Entwicklung" darf nicht bewirken, dass Migrationskontrollen in Transit- oder gar Herkunftsländer vorverlagert werden.

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Angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingsbewegungen und der abgeschotteten europäischen Außengrenzen ist etwas ganz anderes erforderlich: Asylsuchende müssen auf legale Weise Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren erhalten, in Deutschland und in der EU. Nur so wird man auf Dauer kriminellen Schleppern das Handwerk legen.