"Wenn ein Mensch stirbt, ist es ein schmutziger Krieg"

Foto: Thinkstock/iStockphoto/Laszlo Zehetmayer
In gemeinsamen Recherchen haben der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und die Süddeutsche Zeitung aufgedeckt, wie amerikanische Militär- und Nachrichtendienst-Einheiten in Deutschland ein Drohnenprogramm aufgesetzt und Spionage betrieben haben.
"Wenn ein Mensch stirbt, ist es ein schmutziger Krieg"
Zwölf Jahre ist es her, dass George W. Bush den "Kampf gegen den Terror" ausrief, auch US-Präsident Obama führte ihn fort. Recherchen haben gezeigt: Deutschland ist eine Basis für diesen Kampf und Ausgangspunkt zweifelhafter Geheimdienstaktivitäten. Reinhold Beckmann diskutierte mit seinen Gästen über den "geheimen Krieg". Dabei berührte besonders der Auftritt eines früheren Drohnen-Piloten.

"Es fühlte sich an, als wärest du in Afghanistan oder im Irak", erzählt Brandon Bryant in der Beckmann-Runde am Donnerstabend. Er saß zwar mitten in Amerika in einer kleinen Box, war aber mitten drin im "Kampf gegen den Terror", den George W. Bush 2001 vor dem US-Kongress ausrief – damals mit dem Hinweis, dass der Krieg nicht enden werde, bevor jede terroristische Gruppe globaler Reichweite gefunden und geschlagen sei. Bryant hat fast sechs Jahre für das US-Militär als Drohnen-Pilot gearbeitet. Einsätze gab es beinahe jeden Tag. Mal musste er überwachen, dass die eigenen Truppen sicher zu ihrer Station kamen, dann verfolgte er Menschen. Und – er hat Menschen getötet. "Vielleicht 13 Stück", schätzt er. 1626 Menschen hat sein Geschwader getötet, während er dort Mitglied war. Die Zahl steht auf seiner Entlassungsurkunde.

Unschuldige Opfer

"Unsere Vorstellung von Krieg ähnelt der Realität im 1. Weltkrieg, als man sich in Gräben gegenüber lag", sagt der Journalist John Goetz. "Das hat sich radikal geändert." Der Einsatz von Drohnen ist längst selbstverständlich. Von "minimalinvasiven" und "sauberen" Eingriffen war die Rede. Wegen vieler unschuldiger Opfer steht der Drohneneinsatz inzwischen jedoch in der Kritik. Amnesty International hat etwa in Pakistan gezeigt, dass es entgegen aller Behauptungen zahlreiche zivile Opfer gibt. "Familien verlieren ihre Väter – oft den Alleinernährer. Das hat über den Tod hinaus gravierenden Einfluss auf die Menschen", sagt Imke Dierßen von der Menschenrechtsorganisation.

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Der Kampf mit Drohnen bedeutet auch, dass man der gegnerischen Seite nicht mehr real gegenübertreten muss. "Leute sitzen in Nevada und warten auf Befehle", sagt Goetz. Entscheidungen würden woanders getroffen. "Zum Beispiel in Stuttgart über Hinrichtungen in Somalia", ergänzt er. In der Landeshauptstadt Baden-Württembergs ist "Africa Command" stationiert – das Regionalkommando der US-Streitkräfte für den afrikanischen Kontinent. Tötungsbefehle aus Deutschland – das hat der NDR gemeinsam mit der "Süddeutschen Zeitung" in einer großen Recherche aufgedeckt.

Amnesty: "Bundesregierung muss mit USA sprechen"

Sind die Drohnenangriffe rechtswidrig? Um diese Frage zu beantworten, hat Beckmanns Redaktion den Völkerrechtler Thilo Marauhn eingeladen. Juristisch nüchtern analysiert er unterschiedliche Szenarien. Gerade die Drohneneinsätze in Somalia, die aus Stuttgart kommandiert werden, sieht er kritisch. "Die USA sehen sich aber im Recht", sagt Marauhn. Das Land stehe im Kampf gegen den Terror. Immer dort, wo US-Streitkräfte und Terrorverdächtige aufeinander stießen sei aus US-Perspektive ein bewaffneter Konflikt gegeben. Der erlaube den Einsatz der Drohnen. Imke Dierßen sieht bei der Frage die Bundesregierung in der Pflicht. "Sie hat völkerrechtswidrige Drohnenangriffe abgelehnt. Die Bundesregierung muss mit den USA darüber sprechen."

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In einem anderen Punkt wagt auch der vorsichtig bedachte Marauhn eine eindeutige Aussage. Er kritisierte die Tatsache, dass der BND systematisch Flüchtlinge und Asylbewerber befragt, um an Daten aus ihren Heimatländern zu kommen, scharf. Die Angaben übergibt der BND an US-Geheimdienste. Das sei nicht praxistauglich, urteilt Marauhn. Die Bundesregierung wisse genau, dass die Informationen genutzt werden, um Menschen zu töten. Das sei mit dem Völkerrecht nicht vereinbar. "Wenn wir nicht kooperieren, dann lassen die uns austrocknen", sagt dagegen Werner Weidenfeld, der ehemalige Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. "Die Diskussion findet in Deutschland auch nur so lange statt, wie es hier keine terroristischen Anschläge gibt", fügt er hinzu.

"Wenn ein Mensch stirbt, ist es ein schmutziger Krieg"

Da kann der ehemalige Drohnen-Pilot Bryant nicht an sich halten: "Der Krieg gegen den Terrorismus ist für mich blöder Mist", sagt er. Er werde genutzt, um überall auf der Welt Menschen zu töten. "Wir sollten niemanden angreifen, aus Angst, er könne uns angreifen. So schaffen wir nur mehr Terroristen." Aus dem früheren Soldaten ist inzwischen ein Pazifist geworden: "Wenn ein Mensch stirbt, ist es ein schmutziger Krieg", sagt er bei Beckmann. In der Sendung erzählt er auch, wie er früher über längere Zeit Menschen, vermeintliche Feinde und damit Angriffsziele, beobachtet hat. Wie sie mit ihren Kindern gespielt haben, wie sie im Café saßen. "Jemand kann ein Schurke und Idiot sein. Hat er deshalb verdient zu sterben? Ich denke nicht", sagt er.

Brytan trug dazu beide, dass diese Beckmann-Runde eine besondere geworden ist. Sein Auftritt berührte viele – das zeigten zahlreiche Twitterposts während und nach der Sendung. Doch auch die anderen Gäste und nicht zuletzt das Thema waren gut gewählt. Es wurden viele Fragen gestellt, über die in Deutschland und auch in den USA in Zukunft hoffentlich mehr debattiert wird.