Wie passen Glück und Sterben zusammen?

Foto: NDR/Wolfgang Borrs
v.l.: Christiane zu Salm (Ehrenamtliche Sterbebegleiterin), Tilman Jens (Journalist und Autor), Anne Will (Moderatorin), Angelika Kallwass (Psychotherapeutin), Hubert Hüppe (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen)
Wie passen Glück und Sterben zusammen?
"Gibt es ein glückliches Sterben?" Das war die Ausgangsfrage der Runde bei Anne Will. Daraus entstand schnell eine Diskussion über aktive und passive Sterbehilfe. Die Gäste führten diese mit einer Ehrlichkeit und Authentizität, wie man sie selten in einer Talkshow erlebt.

Mitten im "traurigen Monat November" hat die ARD die Glücks-Woche ausgerufen. Sieben Tage lang beschäftigen sich der Sender, die regionalen Kanäle und die Radioprogramme in zahlreichen Sendungen und auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem Thema. Mancher mag sich gewundert haben, warum sich die Redaktion von "Anne Will" gerade in dieser Woche entschieden hat, über den Tod zu sprechen. Einzig der Sendungstitel schien ein Eingeständnis zu sein: "Gibt es ein glückliches Sterben?"

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"Sein Sterben war glücklich", sagt Tilman Jens, Sohn des Schriftstellers Walter Jens, über den Tod seines Vaters. "Aber die zehn Jahre davor hätten nicht sein müssen", fügte er hinzu. Jens blieb der einzige in der Sendung, der sich mit dem Begriff des "glücklichen Sterbens" anfreunden konnte. Die frühere TV-Psychologin Angelika Kallwass sagte über den Tod ihrer Mutter: "Es war ein friedliches Sterben. Meine Mutter hat sich den Tod gewünscht." Auch der CDU-Politiker und Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Hubert Hüppe blieb verhalten: Friedliches Sterben könne er sich vorstellen, beim glücklichen Sterben sei er skeptisch.

Christiane zu Salm: "Immer mehr Schläuche und weniger Seele"

"Sterben hat mit Verlust, hat mit Abschied nehmen zu tun", sagte die Sterbehelferin Christiane zu Salm. "Das ist zunächst etwas, was viel Unglück erzeugt." Allerdings könne man versuchen, den Moment des Sterbens glücklicher zu gestalten. Zum Beispiel indem man einem Menschen die Gelegenheit gebe, sich Dinge von der Seele zu reden, damit er akzeptieren kann, was war und was nicht war. Viele Menschen, die sie begleitet habe, hätten Glück dabei empfunden, Frieden mit sich zu schließen und Dinge zu lösen, die ungelöst waren.

Auch der medizinische Fortschritt könne ein Problem beim Sterben sein, meint zu Salm. Alles sei darauf ausgerichtet, das Leben zu verlängern. "So wünschenswert das ist: Der Mensch kann dabei zu kurz kommen. Es gibt immer mehr Schläuche und immer weniger Seele", sagte sie. Da wandte Tilman Jens ein, dass man mehr Menschen die Möglichkeit geben müsse, friedlich zu sterben. Beim langen Leidensweg seinen Vaters habe er erlebt, dass der Abschied auch ganz anders aussehen könne.

Hubert Hüppe: "Du sollst nicht töten"

Daraus entstand eine intensive, die Sendung bestimmende Diskussion über aktive und passive Sterbehilfe. Tilman Jens und Angelika Kallwass – wohl nicht zuletzt bedingt durch die persönlichen Erfahrungen mit ihren Eltern – argumentierten für das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. Allerdings erzählten sie auch, wie schwierig das für Angehörige in der Umsetzung sein kann. So habe Walter Jens seine Familie angefleht, ihm beim Sterben zu helfen. "Wir waren entschieden, es zu tun", erzählte sein Sohn. Doch im nächsten Moment habe Walter Jens gesagt: "Aber es ist doch schön."

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Trotzdem habe er gewusst, dass sein Vater sich eigentlich immer gewünscht habe, ein Zustand möge ihm erspart bleiben. Gemeinsam mit seinem Freund Hans Küng hat Walter Jens in den neunziger Jahren das Buch "Menschenwürdiges Sterben – Ein Plädoyer für Selbstverantwortung" geschrieben.

Eine ganz andere Haltung zu dem Thema hatte Hubert Hüppe. Er habe großes Verständnis für die Einzelschicksale und könne da mitfühlen. "Aber als Politiker denke ich darüber nach, was passiert, wenn wir es freigeben", sagte er. Er fürchte, dass in manchen Fällen Angehörige darauf spekulierten, dass ein Mensch sich töten lasse statt den womöglich mühsamen Weg zum Tod gemeinsam zu gehen. Auch berief sich Hüppe auf die Bibel: "Du sollst nicht töten" – das gelte auch für sterbenskranke Menschen.

Hans Küng: "Muss ich alle Pillen schlucken?"

Eine völlig andere Haltung nahm der Theologe Hans Küng ein. Anne Will hatte ihn vor Aufzeichnung der Sendung in Tübingen besucht und interviewt. Zum einen stellte er ganz pragmatisch fest, dass er ohne jegliche medizinische Versorgung gar nicht mehr am Leben wäre: "Das ist zusätzliche Zeit, die vom Menschen geschaffen wurde", sagte er im Gespräch. Das Leben sei für ihn eine Gnade und ein Geschenk Gottes. Jeder habe die Verantwortung für sein Leben. "Aber wie lang muss ich das durchhalten? Muss ich alle Pillen schlucken, alle Operationen machen?" In dem Interview, das die ARD im Anschluss an die Talkrunde komplett ausstrahlte, sprach er eindrücklich über seinen Wunsch, seinen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen, bevor er dazu nicht mehr in der Lage sei. Anders als Walter Jens wolle er den richtigen Moment nicht verpassen.

Von solchen intimen Äußerungen lebte nicht nur das Interview mit Küng, sondern die gesamte Sendung. Die Runde zeugte von einer tiefen Ehrlichkeit und Authentizität – etwas, was man selten in Talkshows erlebt. "Sterben müssen wir alle", sagte Anne Will schon zum Einstieg der Sendung. Dennoch verdrängten viele den Gedanken. "Dabei ist es wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen", sagte Will.