Warum ist ein Online-Referat "zukunftsweisend"?
###mehr-personen### Alexander Ebel: Die Pointe daran ist ja, dass das Online-Referat interaktiv gestaltet wird, auch wenn die Interaktivität im Nachgang passiert und nicht während des Referates. Es ist ein erster Versuch, ein Testballon. Die gegenseitige Telepräsenz halte ich schon für eine interessante neue Möglichkeit: Die Referenten sind für die Zuhörer präsent - im Wohnzimmer oder im Bus oder in der Bahn, wo auch immer man sich über Onlinegeräte zuschaltet. Gleichzeitig sind Zuschauer in dem Raum, wo der Vortrag tatsächlich stattfindet.
Das Neue daran ist, dass es sehr einfach mit geringem Aufwand für jedermann selbst einzurichten ist, auch für eine Kirchengemeinde. Man braucht keinen Radiosender, man muss niemanden beim Fernsehen kennen, sondern es geht einfach mit den technischen Möglichkeiten, die die meisten von uns heutzutage in unserem westlichen Wohlstands-Industriestaat zuhause haben.
Kann man sich online genauso gut miteinander verständigen wie in einer face to face-Situation?
Ebel: Ich denke, dass die Kluft zwischen dem, was über die technische Kommunikation und direkte leibliche Begegnung möglich ist, immer stärker abnimmt. Besonders wenn man Video- und Audiostream dazu nimmt und es nicht nur die reine Textkommunikation über Chats und Foren ist. Ich halte die technischen Mittel immer für eine Übergangstechnologie. Die Entwicklung wird weitergehen und immer mehr dazu führen, dass man das Gegenüber durch technische Kommunikationsmittel als "präsent" erfährt. Der Unterschied zur tatsächlichen leibhaftigen körperlichen Begegnung verschwimmt.
###mehr-info### Eine Online-Welt wie Second Life, in der ich mich selbst nicht bewege, aber die Avatare sich bewegen, und die die Telepräsenz des eigenen Selbst irgendwo anders ermöglicht, das ist so ein Vorgeschmack dessen, was in der Breite vielleicht noch kommen wird. Wenn Google nächstes Jahr die Datenbrille "Google Glass" veröffentlicht, dann habe ich die Vision, dass man über eine solche Brille die Leute, die sich durch technische Kommunikationsmittel zugeschaltet haben, im Raum sitzen sieht. Angenommen, es hätten alle Leute so eine Datenbrille auf: Sie gucken nach links und rechts und sehen die Leute neben sich sitzen, die übers Internet mit dabei sind. Ich glaube, dass das nicht mehr in allzu ferner Zukunft liegt.
Der Begriff "Präsenz" spielt dabei eine große Rolle. Präsenz ist auch in einem Gottesdienst wichtig: man ist als Gemeinschaft miteinander präsent in einem Raum. Können Sie sich vorstellen, auch Gottesdienste im Internet zu feiern?
Ebel: Ich habe ja selbst schon Online-Gottesdienste mit vorbereitet und angeleitet, zum Beispiel den Twittergottesdienst beim Barcamp 2011 in Frankfurt am Main, oder mitgefeiert, zum Beispiel die Online-Andacht aus Wien. Das funktioniert. Gegenwärtig habe ich noch das Gefühl: Die Vollform dieser neuen Möglichkeit erfährt man, wenn man vor Ort im Kirchenraum tatsächlich leiblich körperlich präsent ist und diese zweite Ebene über einen Tablet-PC oder Handy noch zusätzlich erfährt. Dann hat man beide Ebenen. Man befindet sich im Kirchenraum mit den anderen und hat zugleich das Bewusstsein, darüber hinaus verbunden zu sein mit der Gemeinschaft derer, die online dabei sind.
Aber diejenigen, die nur online dabei sind, können diese Form ja dann nicht erleben. Für die wäre es also keine "Vollform" von Gottesdienst?
Ebel: Ja, so empfinde ich es im Moment. Die Frage ist aber auch, inwieweit die technische Entwicklung weiter gehen wird, wie stark diese Erfahrung, dieser Unterschied immer weiter verschwimmen wird, ob man körperlich oder online mit dabei ist. Im Moment ist dazu noch ein größerer geistiger Kunstgriff erforderlich. Wenn man den Gottesdienst nur online verfolgt, muss man sich da hineinbegeben.
Dieses Bewusstsein "Ich bin jetzt mit dabei, ich feiere das jetzt mit" kann auch jetzt schon mit den gegenwärtigen Mitteln entstehen. Aber bei weitem noch nicht für alle Menschen. Da hat man sich noch nicht dran gewöhnt. Leichter ist es für Menschen, die mit diesen Medien sehr intensiv und häufig umgehen, für die sie schon zum Teil des eigenen Lebens geworden sind. Dann, denke ich, kann man auch diese Gemeinschaftserfahrung machen, wenn man einen Gottesdienst nur online verfolgt.
Woran wird die pfälzische Kirche den Erfolg ihres "Testballons" am 30. Oktober messen?
###mehr-artikel### Ebel: Für mich ist es schon dann ein Erfolg, wenn es technisch funktioniert. Zwar habe ich vorhin gesagt: Die technischen Mittel, die man dafür benötigt, sind im Großen und Ganzen leicht zugänglich, aber das muss man dann auch umsetzen im Kirchenraum: zwei Beamer aufbauen - einen für die Präsentation zu den Referaten, den anderen um zu zeigen, was in den sozialen Netzwerken Twitter, Facebook, Google+ oder in den Kommentaren zum Youtube-Livestream passiert. Gucken, ob man auf dem übertragenen Bild die Leute erkennt, ob der Ton in Ordnung ist, wie gut die Internetverbindung ist…. Ruckelt es, wenn sich aus dem Kirchenraum noch Leute ins W-LAN einloggen? Kann das funktionieren, wenn da ein Videostream per upload mitverfolgt werden soll? Das sind so viele Details, mit denen man umgehen muss. Es geht jetzt erstmal um das Ausprobieren.
Worum geht es inhaltlich in den beiden Vorträgen?
Ebel: Wir haben das unter das Oberthema "Kirche – wohin? Zukunftsvisionen off- und online" gestellt. Es geht also um den zukünftigen Weg der Kirche, mit Fokus auf die pfälzische Landeskirche, auf Reformen, Umstrukturierungen, Regionalisierung. Das wird der Kirchenpräsident in seinem Vortrag behandeln. Ich stelle dann ein paar Ideen und Projekte vor: Was gibt es im Bereich der sozialen Netzwerke, wo bildet sich Kirche oder Gemeinde online? Ich hoffe, dass wir einen Bezug hinkriegen, aus dem klar wird: Kirche und Internet sind keine getrennten Welten mehr. Das eine kann mit dem anderen was zu tun haben.