Vor einigen Jahren hat Adolf Winkelmann mit dem Zweiteiler "Contergan" einen herausragenden Film über einen der größten europäischen Pharmaskandale der Nachkriegszeit gedreht. Produktionsfirma war damals das Kölner Unternehmen Zeitsprung. Nun hat sich Firmengründer Michael Souvignier eines weiteren brisanten Themas dieser Art angenommen. "Blutgeld" handelt von Ereignissen, die nicht minder unerhört sind: Mitte der Achtzigerjahre wurden Bluter mit einem Mittel (im Film "Faktor VIII") behandelt, von dem Behörden und Ärzte wussten, dass es vermutlich mit dem HI-Virus infiziert ist. Die Spritzen verlängerten zwar die Lebenserwartung der Betroffenen, aber dafür bekamen sie Aids.
Ein Geschenk des Himmels
René Heisig (Buch und Regie) und Kai-Uwe Hasenheit (Buch, unter Mitarbeit von Regine Bielefeldt) beginnen die Geschichte 1972: Für eine Familie mit drei Söhnen, die alle unter der Bluterkrankheit leiden, ist Faktor VIII ein Geschenk des Himmels; endlich können die drei ein ganz normales Leben führen. Gut zehn Jahre später, die Jungs sind mittlerweile erwachsen, gibt es erste Nachrichten über eine rätselhafte neue Krankheit namens Aids, von der aber offenbar nur homosexuelle Männer befallen werden. Beiläufig hört man im Radio die Nachricht vom Aids-Tod des Schauspielers Rock Hudson. Aber dann bekommt Stefan (Fabian Busch), der älteste, eine Lungenentzündung und stirbt – an Aids; auch seine beiden Brüder (David Rott, Max Riemelt) tragen den Virus in sich. Eine Ärztin (Lavinia Wilson) vermutet, die Ansteckung könne mit Faktor VIII zusammenhängen: Das Mittel wird aus Blutspenden gewonnen. Das Bundesgesundheitsamt schließt sich dem Verdacht an, knickt aber unter dem Druck der Pharmalobby ein; über tausend Patienten werden infiziert.
Die persönliche Ebene der Handlung konzentriert sich mehr und mehr auf Ralf, den jüngsten Seifert-Sohn (Max Riemelt), der sich im Gegensatz zu seinem verheirateten Bruder (David Rott) nicht von der Pharma-Industrie kaufen lassen will. Allerdings kann er nicht beweisen, dass seine Infektion mit Faktor VIII zusammenhängt. Ein Arzt (Heio von Stetten), der ihm helfen könnte, nimmt sich das Leben. Schillerndste Figur des Films ist ein charismatischer Lobbyist der Pharmaindustrie, dem Heikko Deutschmann fast mephistophelische Züge verleiht; der Zynismus dieses Juristen ist im Grunde ungeheuerlicher als die Tatenlosigkeit des Verantwortlichen vom Bundesgesundheitsamtes (Jürgen Tarrach). Beinahe tragisch ist dagegen die Rolle des Faktor-VIII-Erfinders (Rudolf Kowalski), der den drei Brüdern im Lauf der Jahre zum väterlichen Freund geworden ist und nun die Schuld an ihrem Schicksal trägt; auch Thomas stirbt schließlich an Aids.
Heisig inszeniert den Film eher unauffällig, fast nüchtern (Bildgestaltung: Peter Nix). Die Romanze zwischen Ralf und der Ärztin sorgt zwar für eine gewisse Erholung von den erschütternden Ereignissen, aber selbst dieser Teil der Geschichte dient dazu, die Verunsicherung jener Jahre zu dokumentieren, als sich die Menschen fragten, ob man Aids auch im Schwimmbad bekommen könnte. Immer wieder kontrastiert der Film die Ebene der Betroffenen mit der Skrupellosigkeit der Pharma-Industrie, die kaltlächelnd für ein paar tausend Mark das Schweigen der Infizierten erkauft und dies auch noch als "humanitäre Geste" bezeichnet. Dabei wissen die Unternehmer genau: Zu einem Prozess wird es ohnehin nicht kommen, weil keiner der potenziellen Kläger lange genug durchhalten würde, um den Urteilsspruch zu erleben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Blutgeld" hat bei zwar Weitem nicht die Wucht von "Contergan", lebt aber von der Kraft der Darsteller. Die Versöhnung der beiden Brüder am Sterbebett von Stefan zum Beispiel ist ausgesprochen ergreifend. Dafür haben sich die Autoren mitunter etwas wenig Mühe bei der Informationsvermittlung gegeben. Gleich mehrmals müssen die Repräsentanten der Pharma-Seite Gespräche mit "Wie Sie wissen..." beginnen, um den Zuschauer auf den neuesten Stand zu bringen. Auch die unüberhörbar nach einer Jugend in Berlin klingende Redeweise Max Riemelts passt nicht recht zur rheinischen Familie Seifert. Sehr glaubwürdig und zudem angenehm beiläufig in Szene gesetzt ist dagegen die Ausstattung von Thomas Schmid.