Das Drehbuch von Thomas Kirchner ("Das Wunder von Berlin") basiert auf dem biografischen Roman "Vom Glück nur ein Schatten". Uwe-Karsten Heye beschreibt darin den Lebensweg seiner Mutter: wie sie sich in Berlin in den Sänger Wolfgang Heye (Pasquale Aleardi) verliebt, wie der Krieg das Ehepaar trennt, wie sie mit ihren beiden Kindern zurück ins Elternhaus nach Danzig zieht. Auf Druck ihres Arbeitgebers muss sie sich vom fahnenflüchtigen Wolfgang scheiden lassen. Den Untergang des "Dritten Reichs" allerdings hält auch dieser selbstverleugnende Schritt nicht auf.
Selbst wenn der erste Teil dieses mit angemessenen Aufwand inszenierten Films ohne Frage seine Qualitäten hat: Deutlich mehr Tiefe gewinnt die Handlung, als die Hauptfigur ein Bewusstsein für das Unrecht entwickelt, das um sie herum geschieht. Als die nach Rostock geflüchtete Ursula Heye, die bis dahin weggeschaut und geschwiegen hat, endlich Haltung zeigt, liegt das Land längst in Trümmern. Also wehrt sie sich gegen die neuen Machthaber, deren Machtstrukturen jenen des gerade erst besiegten Regimes so auffallend ähneln, und flieht in den Westen. Ihr Mann, heißt es, sei in einem Strafbataillon umgekommen. Ursula fängt mit ihren Kindern und der Wolga-deutschen Opernsängerin Norah (Dorka Gryllus) ein neues Leben an. Und dann klingelt das Telefon: "Wolfgang lebt."
Großes Fernsehen, das ein Denkmal fürdie Frauen setzt
Natürlich ist die Besetzung der Hauptfigur mit Maria Furtwängler nicht zuletzt Ausdruck der Hoffnung, an den enormen Erfolg des Vertreibungs-Quotenhits "Die Flucht" (über 10 Millionen Zuschauer) anzuknüpfen. Im Grunde ist die Schauspielerin zu schön für die Rolle, weil Ursula Heye auch in den entbehrungsreichsten Momenten immer noch eine fast überirdische Strahlkraft hat. Andererseits wird es Furtwänglers Popularität zu verdanken sein, wenn das Publikum der Geschichte auch durch die weniger packenden Momente folgt. Regisseur Miguel Alexandre ("Die Frau vom Checkpoint Charlie", "Der Mann mit dem Fagott") ist mit "Schicksalsjahre" gemeinsam mit Kameramann Jörg Widmer in vielen Szenen großes Fernsehen gelungen.
Mitunter ist der Film aber auch einfach bloß ein Vor- und Nachkriegsmelodram, dass sich in Erzählweise und Inszenierung kaum von anderen Werken dieser Art unterscheidet; sieht man davon ab, dass in den Fünfzigerjahren kein Mensch Redewendungen wie "Wie jetzt?!" oder "Alles gut" verwendet hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Auf der anderen Seite lassen sich in der Handlung so viele kleine Geschichten entdecken, dass das Interesse trotz gelegentlicher Spannungsabfälle nicht erlahmen dürfte. Das garantieren auch die vorzüglich besetzten Nebenfiguren (Casting: Nina Haun), etwa Günther Maria Halmer als Ursulas Vater, ein Querkopf, der auf ganz persönliche Weise gegen das Nazi-Regime rebelliert; oder Rosel Zech als Ursulas Mutter, die bis zum bitteren Ende in Treue fest an "Führer, Volk und Vaterland" glaubt.
Die große Leistung aller Beteiligten besteht jedoch darin, Umbrüche historischen Ausmaßes aus individueller Sicht zu beschreiben, ohne die Hauptfigur zum Prototypen zu stilisieren.
Deshalb schwingt in dem Titel "Schicksalsjahre" beinahe zuviel Pathos mit, zumal das Wort Schicksal auch eine gewisse Hilflosigkeit nahe legt; dabei beweist doch Ursulas schließliche Zivilcourage, dass man Ereignisse nie als gottgegeben hinnehmen muss. Gerade deshalb ist der Film natürlich auch ein Denkmal für die Frauen, die das Überleben ihrer Kinder gesichert und das von Männern zerstörte Land wieder aufgebaut haben; und die trotzdem, auch daraus macht der Film keinen Hehl, ihren Anteil daran hatten, dass es überhaupt so weit kommen konnte. ZDF Neo zeigt beide Teile am Stück.