TV-Tipp des Tages: "Unter Verdacht: Ohne Vergebung" (Arte)

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TV-Tipp des Tages: "Unter Verdacht: Ohne Vergebung" (Arte)
TV-Tipp des Tages: "Unter Verdacht: Ohne Vergebung", 25. Oktober, 20.15 Uhr auf Arte
Die Würde des Menschen ist untastbar, ganz gleich, welche Schuld er auf sich geladen hat. Deshalb stellt sich Eva Prohacek mutig einem wütenden Mob entgegen, der einen Vergewaltiger am liebsten lynchen würde.

Die Würde des Menschen ist untastbar, ganz gleich, welche Schuld er auf sich geladen hat; selbst wenn es sich um Verbrecher handelt, die ihre Opfer jeglicher Würde beraubt haben. Deshalb stellt sich Eva Prohacek mutig einem wütenden Mob entgegen, der einen Vergewaltiger am liebsten lynchen würde. Der Mann war in Sicherheitsverwahrung, die aber erst nachträglich angeordnet wurde und daher aufgrund eines Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unzulässig war.

Kochende Volksseele

Nun hat Friedrich Schmolzer (Michael Stange) in einer Kleinstadt in der Nähe Münchens Unterschlupf bei seinem Bruder gefunden, sieht sich tagtäglich mit der kochenden Volksseele konfrontiert und wird eines Nachts von dem Streifenpolizisten Maiberger (Marcus Mittermeier) krankenhausreif geprügelt. Weil Schmolzer den Beamten angezeigt hat, muss sich die interne Ermittlung mit dem Vorfall befassen, doch die Kriminalrätin (Senta Berger) und ihr Partner Langner (Rudolf Krause) stoßen auf eine Mauer des Schweigens: Die Zeugen haben nichts gesehen, Maiberger wird vom Vorgesetzten und seinen Kollegen gedeckt. Dass sich Prohaceks Chef Claus Reiter (Gerd Anthoff) wieder mal als Heckenschütze betätigt und seine Ermittlerin der Presse zum Fraß vorwirft, macht die Arbeit auch nicht leichter. Als Maiberger schließlich gesteht – eines von Schmolzers Opfern war seine junge Nichte - und sich anschließend offensichtlich das Leben nimmt, ist der Fall nur auf den ersten Blick erledigt: Irgendjemand trachtet Schmolzer nach dem Leben.

Geschickt vermeidet es der Film (Regie: Andreas Herzog, Drehbuch: Stefan Holtz, Florian Iwersen), eindeutig Position zu beziehen. Entsprechend wichtig war die Besetzung des Sexualstraftäters: Michael Stange ist als eher unbekannter Schauspieler ein völlig unbeschriebenes Blatt; anders als bei prominenteren Darstellern weckt er nicht schon allein durch frühere Rollen Zu- oder Abneigung. Natürlich gilt für Filmfiguren aus Sicht des Zuschauers keineswegs die juristische Unschuldsvermutung, zumal Schmolzer alles andere als ein Sympathieträger ist; aber es spricht auch nichts gegen ihn. Die Frage, ob der Mann bloß gewieft oder tatsächlich Opfer eines Komplotts ist, macht einen großen Reiz des Films aus. Das gilt nicht minder für die Haltung der Hauptfigur.

Für die Moralistin Eva Prohacek steht es außer Frage, dass sie Schmolzer vor dem Mob beschützen muss; andererseits empfindet sie abgrundtiefe Verachtung für diesen Mann, der unter anderem ein 16jähriges Mädchen stundenlang vergewaltigt hat. Senta Berger spielt diese innerliche Zerrissenheit ihrer Figur wie immer grandios. Dass die Ermittlerin gleichzeitig auch noch Spielball divergierender politischer Interessen ist, macht diesen Film zu einem erneut herausragenden, komplexen Beitrag der ZDF-Reihe „Unter Verdacht“.