"Die Regierung will das Problem nicht lösen"

Flüchtlinge am Brandenburger Tor in Berlin
Foto: epd-bild/Jürgen Blume
Die in einen Hungerstreik getretenen Flüchtlinge am Brandenburger Tor in Berlin nehmen seit Montag keine Flüssigkeit mehr zu sich..
"Die Regierung will das Problem nicht lösen"
Hungerstreik von Asylsuchenden vor dem Brandenburger Tor geht weiter
Trotz des nasskalten Wetters harrt seit acht Tagen eine Gruppe von Asylbewerbern vor dem Brandenburger Tor in Berlin aus. Zunächst verzichteten sie nur auf Nahrung. Inzwischen verweigern die Flüchtlinge auch das Trinken.
16.10.2013
epd
Lukas Philippi

Besuchern des Brandenburger Tors in Berlin bietet sich in diesen Tagen ein bizarres Bild: Auf dem Pariser Platz vor dem Wahrzeichen der Hauptstadt liegen in Schlafsäcken gehüllt und mit Regenplanen bedeckt fast 30 Menschen mit dunkler Hautfarbe. Auf dem Pflaster liegend bilden bunt bemalte Regenschirme einen Schutzring um sie herum. Gruppen von Touristen drängen an ihnen vorbei, dazwischen Straßenkünstler, verkleidet als Darth Vader oder US-Soldaten, daneben ein Tattoo-Verkäufer. Die Polizei hält sich im Hintergrund.

Am achten Tag ihres Hungerstreiks spitzt sich die Lage der asylsuchenden Flüchtlinge weiter zu. Am Mittwoch wurden bis zum Mittag erneut drei von ihnen mit akuten Kreislaufproblemen in Krankenhäuser gebracht. Am Dienstag waren nach Angaben der Flüchtlinge neun Hungerstreikende wegen Schwächeanfällen und Kreislaufproblemen ärztlich behandelt worden. Seit Montag verweigern sie auch Getränke. Der Ruf nach einer politischen Lösung wird lauter.

Bischof Dröge: "Hilferuf verzweifelter Menschen"

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge appellierte an das "Gebot der Nächstenliebe, die Anliegen dieser Menschen zu hören und ihnen unbürokratisch Hilfe zu leisten". Der Hungerstreik sei ein "Hilferuf verzweifelter Menschen", sagte Dröge dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Asylbegehren sollten mit der notwendigen Sorgfalt geprüft werden.

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Neben der früheren Ausländerbeauftragten von Berlin, Barbara John, forderte auch der Berliner Flüchtlingsrat eine Reaktion der Bundesregierung und Gespräche mit den protestierenden Flüchtlingen. Es sei beschämend, "dass die Leute erst reihenweise umkippen müssen, bevor dies geschieht", sagte die Sprecherin des Flüchtlingsrates, Martina Mauer, dem epd. John sagte im RBB-Fernsehen, Vertreter der Bundesregierung sollten mit den Flüchtlingen sprechen. Dabei gehe es nicht vordergründig um die Erfüllung von Forderungen. Ein Politiker müsse sich aber zutrauen, die Flüchtlinge zu überzeugen, sagte John als Chefin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Berlin.

Das radikale Mittel eines Hungerstreiks ist dabei nicht unumstritten. Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) appellierte an die Hungerstreikenden, ihren Protest zu beenden. "Aktionen wie die am Brandenburger Tor führen lediglich zur Distanz", schrieb der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe). Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hatte schon am Dienstag mitteilen lassen, die protestierenden Flüchtlinge sollten ihr Leben nicht aufs Spiel setzen.

Endlich für sich selber sorgen

Mit dem Hunger- und Durststreik wollen die Flüchtlinge die Bewilligung ihrer Asylanträge erzwingen. Es gibt Unterstützer, die nasse Kleidung und Schlafsäcke zum Trocknen mitnehmen. Von der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten brachten am Mittwoch Freiwillige Decken und Schlafsäcke zum Brandenburger Tor. Für die Nachtwachen zum Schutz der Hungerstreikenden vor Angriffen tragen sich vor allem junge Menschen ein.

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Vor einem Jahr hatte es bereits einen mehrwöchigen Hungerstreik von Flüchtlingen am Brandenburger Tor gegeben. Außerdem eröffnete im Oktober vergangenen Jahres ein Flüchtlingscamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz, wo bis heute rund 100 Menschen leben.

"Die Regierung will das Problem nicht lösen, sondern nur stoppen", sagte am Mittwoch ein Sprecher der Protestierer vor dem Brandenburger Tor. In fließendem Englisch bekräftigte der 32-jährige Pakistani Sibtain Hussain Naqui seinen Willen, für sein Aufenthaltsrecht weiter zu kämpfen: "This struggle is not going to stop." Er wolle endlich für sich selber sorgen können, sich eine Arbeit suchen und nicht mehr auf staatliche Unterstützung angewiesen sein. Er ist seit einem Jahr in Deutschland.