Warum Gott in Malaysia nicht Allah heißen darf

"Allah Ahkabr, Gott ist groß", jubelten Muslime nach dem Urteil vor dem Justizpalast in Putrajaya.
Foto: Michael Lenz
"Allah Ahkabr, Gott ist groß", jubelten Muslime nach dem Urteil vor dem Justizpalast in Putrajaya.
Warum Gott in Malaysia nicht Allah heißen darf
Das Wort Allah bleibt für Christen in Malaysia verboten. Ein Gericht in Kuala Lumpur hat das am Montag entschieden. Hinter dem juristischen Streit kommen religiöse und ethnische Konflikte zum Vorschein.

Betroffen von dem Verbot sind alle jene christlichen Malaysier, die in der Landessprache Bahasa Malaysia beten, auf Bahasa Malaysia Texte veröffentlichen und die malaiische Ausgabe der Bibel lesen. In all diesen Fällen wird Gott mit Allah, dem arabischen Wort für Gott, übersetzt. Ultrakonservative Muslime im Verein mit der politisch angeschlagenen Regierung Malaysias beanspruchen ein Exklusivrecht auf Allah – als einziges muslimisches Land weltweit.

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Das Urteil der drei muslimischen Richter ging weit über den eigentlichen Klagegenstand hinaus. Das Innenministerium hatte 2008 der malaiischen Ausgabe der katholischen Wochenzeitschrift The Herald ein Allah-Verbot erteilt. Die Kirche klagte und gewann – durfte also weiterhin Allah schreiben, wenn sie Gott meinte. Das Innenministerium ging in Berufung und darüber wurde am Montag dieser Woche entschieden.

Gemäß dem Wortlaut der knapp zwanzigminütigen mündlichen Urteilsverkündung ist das Allah-Verbot für Christen total. Die Richter bemühten die Traditionen der Bevölkerungsmehrheit der muslimischen Malaien, malten die Bedrohung der inneren Sicherheit durch den christlichen Gebrauch des Wortes Allah an die Wand und definierten in dem Zusammenhang das Verfassungsrecht auf Religionsfreit als nachrangig. Sie wiederholten die seit vielen Jahren von Regierungspolitikern, staatlich kontrollierten Medien und ultrakonservativen muslimischen Organisationen wie Perkasa und deren Präsident Ibrahim Ali gebetsmühlenartig vorgebrachte Warnung vor einer "Verwirrung der Muslime" durch den christlichen Gebrauch des Wortes Allah.

"Warum sollten wir verwirrt sein?"

In Malaysia, so scheint es, ist ein extrem konservativer Islam auf dem Vormarsch. Dieser Eindruck ist richtig, wenn man nur jene Stimmen wahrnimmt, die laut und schrill in der Öffentlichkeit zu hören sind. Ultrakonservativen Muslime und Politiker predigen, dass in Malaysia insgeheim Massenkonvertierungen zum Christentum stattfänden, dass die Kirchen einen religiösen Putsch gegen die Vormachtstellung des Islam in Malaysia planten, dass der christliche Gebrauch des Wortes Allah das trojanische Pferd zur Zielerreichung sei.

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Doch es gibt auch moderate und moderne Muslime. In den Medien, die sich fast komplett im Besitz der Regierungsparteien befinden, finden sie allerdings kaum statt. Moderate Muslime können über diese Behauptungen und das Allah-Verbot nur den Kopf schütteln. "Warum sollten wir verwirrt sein? Diese Hypothese ist viel zu weit hergeholt und würde, wenn sie stimmen würde, nur zeigen, wie schwach wir Muslime sind. Ich weise eine solche Unterstellung zurück. Der Islam kann durch Respekt und Verständnis mit Vielfalt umgehen. Ich glaube an die friedliche Koexistenz durch Dialog." Das sagt Mujahid Yusof Rawa, Abgeordneter der islamischen Partei PAS und ein mutiger Mann, der seine Worte lebt. Mujahid Yusof Rawa geht auf Christen zu, ist in Kirchen zu finden, sucht den Dialog. Die PAS und mit ihr die beiden anderen (weltlichen) Parteien im Oppositionsbündnis Pakatan Rakyat (PR) weisen seit langem das Allah-Verbot für Christen zurück. Die PR steht für ein modernes und tolerantes Malaysia, in dem alle ethnischen Gruppen und Religionen gleichberechtigt sind.

Fuad Rahmat setzt starke Worte ein, wenn er über die Allah-nur-für-Muslime-Apologeten spricht. Die Behaupt der "Verwirrung" nennt er "lächerlich". Als "grotesk" bezeichnet er die antichristlichen Hetzkampagnen der vergangenen zwei Monate in den offiziellen, von der staatlichen Islambehörde verfassten Freitagspredigten. Beschwörungen der angeblichen Gefahr für die Dominanz der malaiischen Muslime als größter ethnisch-religiöser Bevölkerungsgruppe Malaysias habe es immer wieder gegeben. Mal sei das "Weltjudentum" das Feindbild gewesen, mal die "westliche Kultur". "Aber die alte Ordnung auf Basis des Malaientums ist stärker geschwächt als je zuvor in der Geschichte. Deshalb wird verstärkt Gift gegen die Christen gespuckt", meint Fuad Rahmat.

Bei der Wahl stimmten viele für die Opposition

Die alte Ordnung garantierte den muslimischen Malaien die politische, soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Dominanz. Die unangefochten stärkste Kraft war die Partei United Malays National Organisation (UMNO). Zusammen mit einer Reihe kleiner ethnischer Parteien – vornehmlich die von malaysischen Chinesen und Indern – bildet sie die Barisan Nasional (BN). Wie wenig diese kleinen Parteien zu sagen haben, zeigte schon der Umstand, dass der UMNO-Präsident automatisch Premierminister und zugleich Vorsitzender der BN ist.

Pater Lawrence Andrew, Chefredakteur des Herald, sagt nach der Urteilsverkündung noch im Gerichtssaal: "Wir sind enttäuscht und entsetzt."

Über die Jahrzehnte seit der Unabhängigkeit erstickte die UMNO mit ihrer Dominanz die kleinen Parteien, deren Führer wurden zu korrupten Speichelleckern. Keine der chinesischen und indischen Parteien protestierte gegen die zunehmende Diffamierung und Diskriminierung von Hindus, Christen und Buddhisten.

Das Volk präsentierte dafür bei der Wahl am 5. Mai dieses Jahres die Rechnung: BN verlor Sitze, viele der kleinen BN-Parteien erlitten ein FDP-artiges Schicksal. Gäbe es in Malaysia ein Verhältniswahlrecht, hätte die Opposition mit ihren 51 Prozent Stimmenanteil die Macht im Regierungssitz Putrajaya gewonnen. Offenkundig hatten nicht nur Chinesen und Inder, sondern auch sehr viele Malaien für die Opposition gestimmt.

"Wir haben den Namen Allah zurückerobert"

Bei dem verzweifelten Versuch des Machterhalts spielt die UMNO die religiöse Karte. "Die malaiische Elite misstraut zutiefst den malaiischen Massen. Das ist ganz offensichtlich im hiesigen religiösen Diskurs. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass nur Personen mit religiösem Wissen die Religion kennen, während die Massen unwissend und verwirrt sind."

Die Allah-Hetze gegen Christen wird jedenfalls gehört, vor allem in ländlichen Gegenden. Und auf lange Sicht vielleicht auch darüber hinaus. "Es gibt viele moderate Muslime, aber nicht sehr viele. Ich würde sagen, die meisten Muslime hier sind konservativ. Deren Verständnis von Religion erschöpft sich weitgehend in Ritualen und Regeln", sagt Fuad Rahmat. "Sogar die Muslime, die nichts gegen den Gebrauch von Allah durch Christen haben, verlassen sich eher auf konservative Methoden der Argumentation. Sie beziehen sich noch immer auf die Schriften und historische Präzedenzfälle, statt auf das Rahmenwerk der Menschenrechte. Das ist nicht nur schlecht, aber wir sehen eben keine Bezüge zu modernen Rahmenbedingungen wie dem Pluralismus."

Nach dem Allah-Urteil war sowohl der Jubel als auch die Unversöhnlichkeit der ultrakonservativen Muslime in ganz Malaysia zu hören – dank der ihnen freundlich gesinnten Medien. Perkasa-Präsident Ibrahim Ali sagt: "Wir haben den Namen Allah zurückerobert." Der politischen Opposition – einschließlich der PAS – wirft er vor, aus "selbstsüchtigen Motiven" Allah politisiert zu haben. Der militant-islamische Ibrahim Ali, dem die Wähler bei der Parlamentswahl die rote Karte zeigten, warnt: "Wir brauchen keinen arabischen Frühling in Malaysia."

Kirchen reagierten entsetzt auf das Urteil

Abdullah Zaik Abd Rahman forderte die Christen auf, das Urteil zu akzeptieren oder das Land zu verlassen. Wörtlich sagte der Vorsitzende der radikalen Organisation Ikatan Muslimin Malaysia: "Sie haben die Freiheit, in ein anderes Land zu ziehen, wenn sie die Vorrangstellung des Islam und das Königtum, das die Vorrangstellung dieser Religion schützt, nicht akzeptieren können."

Malaysias Christen und Kirchen reagierten entsetzt und geschockt auf das Urteil, das in der Konsequent massive Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit bedeuten kann. Kritik kam aber auch vereinzelt aus den Reihen der BN. Zur großen Überraschung der Christen erhielten sie noch am Tag der Urteilsverkündung massive Rückdeckung ausgerechnet aus einer äußerst islamischen Weltgegend: aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die staatliche Tageszeitung The National nannte in einem Editorial das Urteil "falsch" und wusste diese Ansicht mit Geschichte und Koran zu belegen. "Das Wort Allah war nie ausschließlich für den Islam – in Wirklichkeit haben Christen und Juden das Wort 'Allah' als Bezeichnung für Gott schon vor dem Aufkommen des Islam benutzt." Und weiter: "Der Koran selbst ist in dieser Sache eindeutig. In der Surah Al Ankabut heißt es, Muslime sollten den Menschen des Buches (Christen und Juden) sagen, dass 'unser Gott und eurer Gott eins ist'." Selbst die ultrakonservativsten Muslime in Malaysia werden kaum die Vereinigten Arabischen Emirate verdächtigen können, dem Islam ein Ende bereiten zu wollen.