Eigentlich wollte die für die meist leichten, oft aber auch seichten Freitagsfilme zuständige Degeto ja die Qualitätsmaßstäbe erhöhen. Und nun fällt der ARD-Tochter ausgerechnet der WDR in den Rücken! Die Kölner sorgen regelmäßig für die besten Mittwochsfilme, heimsen dauernd Preise ein und lassen Dramen produzieren, die sich immer wieder mit relevanten Themen befassen. "Sommer in Rom", gemeinsam mit der Degeto und Arte in Auftrag gegeben, klingt jedoch nicht nur dem Titel nach wie eine der eskapistischen "Herzkino"-Geschichten, mit denen das ZDF seinen Zuschauerinnen am Sonntagabend die Zeit zu vertreiben pflegt. Die Handlung trägt sich in Italien zu, und wie in allen Filmen dieser Art können selbst die römischen Kinder prima deutsch. Endgültig zum sprachlichen Verbrechen wird die Sache, wenn die von deutschen Schauspielern verkörperten Einheimischen anfangen, ein furchtbares Italienisch zu reden.
Journalistische Eskapaden
Ist man darauf vorbereitet, lässt sich "Sommer in Rom" als kurzweilige Familienkomödie genießen, die auf sympathische Weise altmodisch wirkt. Hauptfigur Michael Heinrich (Thomas Heinze) ist Tageszeitungsjournalist. Er arbeitet für ein Weltblatt aus Köln, das international ebensoviel Renommee genießt wie die Washington Post. Dem mehr oder weniger offenen Protest von Gattin Susanne (Esther Schweins) und der halbwüchsigen Tochter (Mala Emde) zum Trotz hat er die Stelle als Italienkorrespondent der Zeitung angenommen. Munter hüpft das auf dem autobiografischen Romanbestseller "Quattro Stagioni – Ein Jahr in Rom" des früheren "SZ"-Korrespondenten Stefan Ulrich basierende Drehbuch (Matthias Stoltze, Lothar Kurzawa sowie Regisseur Stephan Meyer) nun zwischen familiären und beruflichen Handlungssträngen hin und her und bedient dabei ohne Scheu fast alle nur denkbaren Italienklischees.
Gerade dank Thomas Heinze ist die Komödie dennoch ausgesprochen vergnüglich, selbst wenn Michaels journalistischen Eskapaden mitunter etwas zweifelhaft sind. Dass ihm seine Chefin 10.000 Euro überlässt, weil ein wunderlicher Archäologie Beweise für ein uraltes etruskisches Matriarchat gefunden haben will, grenzt fast an ein Märchen. Endgültig absurd ist die Idee, dass Michael seine Zeitung mit gefälschten Berichten über eine Papstreise nach Großbritannien versorgt, weil er das Flugzeug verpasst hat, und seine Vorgesetzte (eine hübsche kleine Rolle für Margarita Broich) eine Fortsetzung erwartet, obwohl sie den Betrug durchschaut hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aber Stephan Meyer inszeniert die Ereignisse ohnehin mit einem Augenzwinkern, und das gilt natürlich auch für die familiäre Ebene. Mitunter gibt es großzügige Anleihen beim Boulevardtheater, wenn Michael in Abwesenheit seiner Gattin der verboten attraktiven Nachbarin Maria Unterschlupf gewährt, weil sie sich ausgesperrt hat. Er widersteht der Versuchung zwar, aber Ärger kriegt er trotzdem. Maria-Darstellerin Anna Julia Kapfelspberger ist übrigens die einzige, die optisch und akustisch überzeugend als Einheimische durchgehen könnte; Dietrich Mattausch dagegen ist als Italiener komplett unglaubwürdig. Trotzdem macht es Spaß, den Schauspielern zuzuschauen; gerade Mala Emde hält sich neben den beiden Profis Heinze und Schweins sehr gut. Und Rom, dessen Sehenswürdigkeiten selbstredend ausführlich zur Geltung kommen, ist ohnehin eine Fernsehreise wert.