TV-Tipp des Tages: "16xDeutschland" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "16xDeutschland" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "16xDeutschland", 5. Oktober, 16.00 Uhr im Ersten
Deutschland ist groß, bunt und unheimlich vielfältig. Warum also nicht diesen Facettenreichtum filmisch abbilden? In der Serie "16xDeutschland" schauen prominente Filmemacher auf ihr Bundesland. Zu sehen sind jeweils 15-minütige Dokumentarfilme.

Das Projekt ist ebenso einzigartig wie riskant: Die Dokumentarfilmredaktionen der ARD haben 16 Filmschaffende beauftragt, ein subjektives Porträt ihres jeweiligen Bundeslandes zu produzieren. Abgesehen von der Länge (15 Minuten) gab es offenbar keinerlei stilistische Vorgaben. Entsprechend heterogen sind die Ergebnisse: Die Filme sind mal ironisch, mal nachdenklich; mal nüchtern, mal verspielt; mal distanziert, mal Ich-bezogen; mal kommentiert, mal ohne Worte. So vielfältig wie die Resultate sind auch die Männer und Frauen hinter der Kamera. Einige kennt man vor allem als Schauspieler, andere sind ausgewiesene Dokumentaristen. Allen gemein aber ist der Anspruch, sich mit ihren Geschichten über Orte und Menschen vom Fernsehalltag abzusetzen und trotzdem eine Form zu finden, die möglichst viele Zuschauer anspricht. Auf diese Weise ist eine Filmsammlung entstanden, die ähnlich föderal funktioniert wie der "Tatort".

16 "Heimatfilme"

Den Auftakt des Reigens macht der Bayern-Beitrag von Udo Wachtveitl. Die meisten Deutschen kennen und schätzen ihn als Darsteller des Münchener "Tatort"-Kommissar Leitmayr. Sein Film ist ein amüsant-ironisches Spiel mit den bekannten Bayern-Klischees, in denen er allerdings eine Menge Widersprüchlichkeit findet; und das nicht nur, weil das Bundesland von so unterschiedlichen Charakteren wie Franz Josef Strauß, Karl Valentin und Ludwig II. repräsentiert wird. Dass Wachtveitl auch ein ausgezeichneter Sprecher ist, hat er erst kürzlich in dem Dokumentarfilm "Die Alpen" unter Beweis gestellt; sein Film hat ebenfalls einige imposante Luftaufnahmen zu bieten. Es ist ohnehin erstaunlich, wie viele thematische Aspekte der Schauspieler in dem kurzen Format unterbringt; zwischendurch hat er auch noch Zeit, sich eine Pizza auf die Theresienwiese liefern zu lassen.

Um so gegensätzlicher, weil bodenständiger ist Andres Veiels Film über Baden-Württemberg ausgefallen: Der vielfach ausgezeichnete schwäbische Dokumentarfilmer ("Black Box BRD") hat einen Fahrlehrer aus Weinheim an der Bergstraße porträtiert. Der Mann ist mittlerweile 85 Jahre alt und immer noch aktiv, seine Fahrschule führt er als Familienbetrieb; Veiels Film ist eine Hommage an Menschen, die ihrem Beruf mit Leib und Seele nachgehen.

Mindestens genauso groß wie der Kontrast zwischen den ersten beiden Beiträgen ist der stilistische Sprung zu Sung-Hyung Chos Beitrag über ihre Wahlheimat Hessen. Die gebürtige Südkoreanerin hat vor einigen Jahren mit einem großartigen Dokumentarfilm über das Heavy-Metal-Festival in Wacken ("Full Metal Village") auf sich aufmerksam gemacht. Im Alter von 24 Jahren ist sie nach Deutschland gekommen, seit 1990 lebt sie in Hessen, wo sie sich längst heimisch fühlt. Anhand ihrer eigenen Erfahrungen beschreibt sie den Prozess, eine zunächst völlig fremde Kultur kennen und schließlich auch lieben zu lernen: Seit einem Jahr ist Sung-Hyung Cho Deutsche. Im Stil von "South Park" animierte Zwischenspiele sorgen für optische Abwechslung.

So vielfältig wie die ersten drei sind auch die weiteren Beiträge. Filmemacher Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon", "Halt auf freier Strecke") stellt sein Heimatland Brandenburg anhand einer Bergarbeiterin aus der Lausitz vor: Die Frau steuert einen gigantischen viertausend Tonnen schweren Bagger. Regelrecht komplementär zu den Bildern der zerstörten Natur sind die idyllischen Aufnahmen unberührter Landschaften in Mecklenburg-Vorpommern im Film von Charly Hübner. Der Hauptdarsteller der "Polizeiruf"-Krimis aus Rostock beschäftigt sich mit den verschiedenen Spielarten von Heimat; auch mit der rechtsradikalen Facette.

Der Schauspieler ist zumindest an Tag eins der letzte namhafte Regisseur. Prominent wird es erst morgen wieder (erneut ab 16 Uhr), wenn die Wahl-Berlinerin Sandra Maischberger gemeinsam mit Ehemann Jan Erkhart (Kamera) einen typischen Arbeitstag im Reichstag dokumentiert. Ein Mikrokosmos ganz anderer Art steht im Mittelpunkt des Beitrags über Nordhrein-Westfalen: Der Dokumentarfilmer Claus Wischmann ("Kinshasa Symphony") hat eine liebevolle Hommage an ein Kölner Ehepaar gedreht, das seit zwanzig Jahren die Kneipe "Weißer Holunder" betreibt. Um Gastronomie geht es auch bei Lars Jessen. Die norddeutschen Kino- und Fernsehfilme des durch "Am Tag als Bobby Ewing starb" bekannt gewordenen Regisseurs leben vor allem von ihrem trockenen Humor. Diesmal macht der gebürtige Kieler allerdings ernst: In seiner Heimat Dithmarschen, wo er 2008 "Der Schimmelreiter" gedreht hat, sterben die Landgasthöfe aus.

Prominent geht es weiter: Schauspieler Dominique Horwitz, der Kindheit und Jugend in seinem Geburtsort Paris verbrachte, stellt seine Wahlheimat Weimar vor, der in Mannheim aufgewachsene Erfolgsproduzent Nico Hofmann ("Unsere Mütter, unsere Väter") erklärt gemeinsam mit Koautor Julian Vogel, warum Rheinland-Pfalz von so gegensätzlichen Wirtschaftszweigen wie Chemie und Weinbau lebt, und Talkshow-Moderator Jan Böhmermann ("Roche & Böhmermann") fragt sich, warum Bremen ein eigenständiges Bundesland ist. Den Abschluss bildet der zweite norddeutsche Stadtstaat: Für Özgür Yildirim ("Chiko"), Regisseur des beachtlichen ersten Hamburger "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring und vor 34 Jahren in Hamburg geboren, sind die Mitglieder des mutikulturellen kollektiv22 die perfekten Repräsentanten seiner Heimatstadt.

Die Federführung für das Projekt lag beim RBB. Dort hat man vor drei Jahren anlässlich des zwanzigsten Geburtstags von Brandenburg mit "20xBrandenburg" unter der künstlerischen Leitung von Andreas Dresen ein ganz ähnliches Projekt gestemmt. Dresen und Abteilungsleiter Johannes Unger haben damals den Grimme-Preis bekommen.