In seiner ursprünglichen Version ist das vor rund 140 Jahren entstandene Heimatdrama "Der Meineidbauer" von Ludwig Anzengruber ein Bauerntheater mit Gesang. Aufs Liedgut hat diese zeitgenössische Ausgabe des vielfach verfilmten Volksstücks jedoch verzichtet, und auch sonst hat die Adaption von Erich Tomek (Buch) und Joseph Vilsmaier (Regie) nicht mehr viel mit der Vorlage zu tun. Streng genommen erinnern nur noch die Grundzüge der Handlung an den bayerischen Bühnenklassiker: Magd Anna (Suzanne von Borsody) liebt den Bauern Karl (Miguel Herz-Kestranek), und der liebt sie auch, was seinem Bruder Franz (Günther Maria Halmer) allerdings überhaupt nicht passt. Die beiden Bruckner-Brüder bewirtschaften den Hof gemeinsam, und Franz will mit allen Mitteln verhindern, dass Karl und Anna heiraten; er hält die Magd für eine Erbschleicherin. Als Karl bei einem Unfall stirbt, sucht Anna vergeblich nach seinem letzten Willen. Franz schwört vor Gericht, dass es kein Testament gebe, und jagt Anna vom Hof. Jahre später kehrt sie zurück, um den Bauern, der womöglich auch ein Brudermörder ist, endlich des Meineids zu überführen.
Handlung in der Neuzeit
Die beste Idee der Verantwortlichen bestand darin, die Geschichte in der Gegenwart anzusiedeln. Autor Tomek hat Anzensgruber Stück kräftig entschlackt, einen Großteil des Personals gestrichen und die Handlung dafür um neue Figuren ergänzt. Sie wird auf diese Weise überschaubarer, aber auch schlichter. Im Grunde fügt sich "Der Meineidbauer" nun in die übliche Dramaturgie der von der ARD-Tochter Degeto in Auftrag gegebenen Heimatfilme ein. Dass sich Annas Tochter Marie (Josefina Vilsmaier, Tochter des Regisseurs) und der Toni (Aaron Karl) vom Franz ineinander verlieben, ist als "Romeo und Julia"-Zitat eine übliche Zutat solcher Produktionen. Der nötige Eifer ist den jungen Leuten nicht abzusprechen, aber gerade gemessen an einem Kaliber wie Halmer, der selbstredend einen vortrefflichen Schurken abgibt, wirken beide darstellerisch doch etwas unbedarft. Sehenswert ist dagegen Max Tidof als tragische Figur der Geschichte: Knecht Ignaz erpresst seinen Chef, wird mit dem ergaunerten Vermögen aber nicht glücklich und ergibt sich der Trunksucht.
Sieht man davon ab, dass sich der Zeitsprung zwischen dem Meineid und Annas Rückkehr wie mindestens zwanzig und nicht bloß zwölf Jahre anfühlt, ist die Übertragung der Handlung in die Neuzeit durchaus überzeugend.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Umso bedauerlicher, dass Tomek und Vilsmaier dem Genre ansonsten treu bleiben, erst recht, wenn man bedenkt, welch kraftvolles Werk dem Regisseur einst mit "Herbstmilch" (1988) gelungen ist; und seine Version der "Geschichte vom Brandner Kaspar" (2008) trug nicht zuletzt dank Michael Herbig sogar anarchische Züge. Buch und Regie hätten den Heimatfilm ja nicht unbedingt neu erfinden müssen, aber "Der Meineidbauer" ist doch recht konventionell ausgefallen; es wäre interessant gewesen, was jemand wie Hans Steinbichler ("Hierankl") aus dem Stoff gemacht hätte.