Flüchtlingsverbände kritisieren die strengen Vorgaben, mit denen die Bundesländer den Familiennachzug syrischer Flüchtlinge nach Deutschland regeln. Diese "Aufnahmeanordnungen" machten es "nahezu unerreichbar", Verwandte ins Land zu holen, urteilt der Flüchtlingsrat NRW. Stein des Anstoßes: Hier lebende Syrer müssen sich verpflichten, den Aufenthalt ihrer Angehörigen ganz allein zu bestreiten.
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Bislang haben Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Thüringen nahezu wortgleiche Aufnahmeanordnungen angekündigt oder bereits erlassen. Nur Angehörige ersten und zweiten Grades dürfen aus der Krisenregion einreisen. Dabei handelt es sich um zusätzliche Flüchtlinge. Sie zählen nicht zu den 5.000 Personen, die seit Mittwoch aus Lagern im Libanon ankommen und zunächst zwei Jahre lang bleiben dürfen.
Schätzungen zufolge leben 40.000 syrische Staatsbürger mit Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland. "Die Bedingungen für den Zuzug von Kindern, Enkeln, Eltern, Großeltern und Geschwistern sind viel zu restriktiv gefasst", sagte Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie befürchtet, dass die großzügige humanitärer Hilfe an überzogenen Anforderungen scheitert.
Zahl der Nachzügler in einigen Bundesländern begrenzt
Dass die gastgebenden Syrer für Wohnung, Unterhalt und Krankenversicherung ihrer Verwandten alleine geradestehen müssen, sei eine meist unüberwindbare Hürde: "Das können sich nur wenige wohlsituierte Syrer leisten", sagte Naujoks.
Humanität dürfe keine Frage des Geldbeutels sein, mahnt Pro Asyl und bezeichnet die private Haftung der Angehörigen als problematisch. "Welche Familie kann auf unbestimmte Zeit monatlich 1.300 Euro Unterhalt, davon allein 680 Euro Kranken- und Pflegeversicherungsschutz, für die beiden Großeltern zahlen?" Dazu kämen noch die Mietkosten für eine zusätzliche Unterkunft. Die Organisation regt an, dass beim Familiennachzug "Verpflichtungserklärungen nicht zwingend gefordert werden".
Wer nach monatelangem Warten von den deutschen Botschaften ein Visum erhält, ist nicht am Ziel, denn mehrere Bundesländer haben die Zahl der Nachzügler begrenzt. Zwar leben in Nordrhein-Westfalen über 12.000 Syrer, doch lässt die Regierung nur 1.000 Angehörige einreisen. Nach Baden-Württemberg sollen 500 Personen kommen dürfen. Bayern spricht gar nur von "Einzelfällen".
Finanzielle Risiken des Familiennachzugs nicht überschaubar
"Obwohl die Flüchtlingsaufnahme eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, wird der humanitäre Aufenthalt privatisiert", kritisiert Jürgen Blechinger die Verpflichtungserklärungen. Für den Juristen und Referenten für Migration und Flüchtlinge der Landeskirche Baden stecken die Gastfamilien in einem Dilemma. Ohne diese Unterschrift erteilen die Behörden kein Visum: "Aber wer will schon seinen Verwandten den Weg nach Deutschland versperren?"
Blechinger warnt vor den finanziellen Risiken des Familiennachzuges. Müsse etwa eine Person, die nicht krankenversichert ist, für eine Operation ins Krankenhaus, könne das sehr teuer werden. Vor der Einreise der Verwandten müsse mit Hilfe von Beratern unbedingt geklärt werden, "wie der Aufenthalt ohne öffentliche Sozialleistungen finanziert werden kann". Gut sei es, wenn für den Ankömmling bereits ein Arbeitsplatz vorhanden ist und "der Arbeitsvertrag gleich mit der Einreise beginnt, so dass Krankenversicherungsschutz von Anfang an besteht".
Kirchengemeinden können unterstützen
Dem Experten zufolge können auch Kirchengemeinden und Initiativen die Syrer sinnvoll unterstützen, zum Beispiel, indem sie die Flüchtlinge zu Behörden begleiten, Kontakte zu Arbeitgebern vermitteln oder sich um günstige Wohnungen kümmern.