Während man sich noch gemeinsam mit Kommissar Robert Anders fragt, warum ein psychisch labiler Mann die Tochter einer Politikerin entführt hat, ist der Ermittler mit den deutschen Wurzeln der Lösung näher, als ihm lieb sein kann. Die Mordfälle, die Anders auf der malerischen Schwedeninsel Gotland lösen muss, basieren längst nicht mehr auf den Romanen von Mari Jungstedt, loten aber nach wie vor glaubwürdig die Abgründe der menschlichen Psyche aus.
"Fürchte dich nicht" ist zudem ein ausgesprochen gelungener Krimi, weil Regisseur Thomas Roth (sein Drehbuch basiert auf einer Idee von Andreas Karlström) in seinem sechsten Beitrag zur Krimireihe "Der Kommissar und das Meer" die Katze nur scheinbar frühzeitig aus dem Sack lässt.
Der eigentliche Schauplatz der Handlung
Die Geschichte beginnt düster: Die Tochter einer Politikerin ist entführt worden. Schon die ersten Aufnahmen aus dem Keller, in dem die junge Frau gefangen gehalten wird, sorgen für eine beklemmende Stimmung: Die bedrückenden Zwielichtbilder von Arthur W. Ahrweiler, dem Stammkameramann von Niki Stein, illustrieren perfekt die Gefühle des völlig verängstigten Opfers, das seinen Entführer stets nur schemenhaft im Gegenlicht sieht.
Robert Anders ermittelt derweil zweigleisig. Zunächst sucht er den Täter im Lager des politischen Gegners der Politikerin, doch dann stellt er fest, dass Mutter und Tochter gleichzeitig ein Verhältnis mit ihrem Fitnesstrainer hatten. Bald darauf wird der Mann jedoch grausam ermordet. Zu diesem Zeitpunkt hat Roth die Identität des Entführers ohnehin bereits gelüftet; offen ist bloß die Frage nach seinem Motiv.
Zunächst wirkt "Fürchte dich nicht" wie ein durchschnittlicher Fernsehkrimi, in dem wie üblich auch das Privatleben des Kommissars eine gewisse Rolle spielt: Seine Freundin Emma (Frida Hallgren) ist mittlerweile hochschwanger, beide freuen sich auf das Baby. Fast unmerklich gelingt es Roth, dieser Ebene mehr und mehr Bedeutung zukommen zu lassen, bis der vermeintliche Nebenstrang zum eigentlichen Schauplatz der Handlung wird.
Empfindlicher Nachteil der Reihe
Die Vielschichtigkeit macht ohnehin den großen Reiz der Geschichte aus, erst recht, als sich zeigt, dass ein früherer Fall große Bedeutung für die aktuellen Ermittlungen hat und das gesuchte Motiv Rachsucht ist. Damals starb ein Päderast in den Flammen seines Hauses. Anders hatte das letzte Opfer des Mannes in letzter Sekunde retten können; bei dem Mädchen handelte es sich um die junge Frau, die nun schon wieder entführt worden ist.
Als kleine Verbeugung vor den langjährigen Freunden der Reihe sind in den entsprechenden Rückblenden auch kurz Friedrich von Thun (in den ersten Folgen als Vater Anders) und Paprika Steen (seine nunmehr nach Afrika ausgewanderte Frau) zu sehen. Ein empfindlicher Nachteil der Reihe "Der Kommissar und das Meer" bleibt jedoch die Mischung aus deutschen und schwedischen Schauspielern. An den darstellerischen Qualitäten der Einheimischen besteht keinerlei Zweifel, doch der Mix aus dem Alltagsdeutsch der einen und dem typischen Synchrondeutsch der anderen sorgt immer wieder für akustische Irritationen. Umso besser passt Lisa Karlström, deutsche Schauspielerin mit schwedischen Wurzeln, in diesen Film, zumal ihr als frühere Freundin von Anders und Emma eine Schlüsselrolle zukommt.