"Das Herz ist eine leichte Beute" hieß dieser Film während der Dreharbeiten. Im Gegensatz zum Arbeitstitel, der eine romantische Komödie vermuten ließ, kommt "Mein Mann, ein Mörder" der Sache schon näher, trifft den Kern dieses raffiniert konzipierten Dramas jedoch ebenfalls nur ungenau. Aber im Grunde ist das Etikett ohnehin völlig nebensächlich, weil Lancelot von Naso nach "Waffenstillstand" und "Die Braut im Schnee" erneut ein bemerkenswerter Film für das ZDF gelungen ist.
Wie die Arbeiten zuvor besticht auch dieser atmosphärisch vielschichtige Ehekrimi durch herausragende darstellerische Leistungen. Vom sorgfältigen Entwurf der Hauptfiguren profitiert vor allem Ulrich Noethen, dessen Rolle angenehm kontrastreich ist: Paul Frei bringt Führungskräften bei, wie sie unter Druck stark sein können, eine Eigenschaft, die er selbst auch ganz gut brauchen könnte, denn jeder Widerstand erlahmt, sobald seine Geliebte die sprichwörtlichen Waffen einer Frau einsetzt. Nora Novak heißt sie, ein Name wie ein Pseudonym, das nicht ohne Grund Assoziationen an die großen Klassiker des Spannungskinos weckt: Die Dame ist ein Luder, das ein ziemlich böses Spiel mit seinem Opfer treibt. Esther Zimmering geizt nicht mit Reizen in dieser Rolle, und das in jeder Hinsicht; als personifizierte Provokation lockt Nora den hilflos in ihrem Netz zappelnden Paul immer wieder auf die dunkle Seite.
Minettes nächtliche Ruhelosigkeit
Natürlich ist der gute Mann verheiratet, doch das Verhängnis dieser Affäre nimmt einen ganz anderen Verlauf, als man es aus vielen anderen Filmen dieser Art kennt: Gattin Minette (Veronica Ferres) weiß von der Liaison, sie hat das Pärchen im Hotel von einem Parkhaus aus beobachtet, nicht ahnend, dass auch sie selbst observiert wird. Kurz drauf reist Paul mit Nora nach Prag, angeblich hat er die Beziehung dort beendet, und zwar endgültig, wie Noras mehrfach als Zwischenschnitt eingefügter Sturz aus dem Fenster nahe legt. Auch Minette muss ihren Mann schließlich für einen Mörder halten: Noras Ex-Freund (Mehdi Nebbou) legt ihr Beweise für den Tod der Frau vor und verlangt viel Geld für sein Schweigen.
Von Naso, der das Drehbuch wie seine früheren Arbeiten auch gemeinsam mit Kai-Uwe Hasenheit geschrieben hat, erzählt die Geschichte allerdings längst nicht so gradlinig, auch wenn sich die Handlung fein säuberlich in drei Akte aufteilen lässt. Mindestens so spannend wie der Wechsel der Perspektive von Paul zu Minette und die Suche nach der Wahrheit ist die Art und Weise, wie der Film das fragile Seelenleben der Gattin inszeniert. Ferres ist dabei bloß Mittel zum Zweck, sie verkörpert die verunsicherte Frau angenehm zurückhaltend; die Stimmung vermittelt sich vor allem durch Details wie Minettes nächtliche Ruhelosigkeit und die bangen Blicke, mit denen sie den friedlich schlummernden Gatten betrachtet.
Autor:inTilmann P. GangloffTilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Großen Anteil an der optischen Qualität des Films (Kamera: Felix Cramer) haben auch die vielen Außenaufnahmen etwa auf dem Münchener Hauptbahnhof oder im Zoo, ganz zu schweigen von einer wichtigen Szene in der Oper. Äußerst gelungen ist auch eine Zugsequenz, als Minette den vermeintlich in Frankfurt weilenden Gatten kurzerhand bis in den Speisewagen nach Prag verfolgt. Den größten Reiz macht jedoch das Katz-und-Maus-Spiel des Ehepaars aus, zumal es die Rollen mehrfach tauscht. Ein stiller Thriller, großartig gespielt und inszeniert, der am Schluss, wie es sich für das Genre gehört, noch einen Überraschungseffekt zu bieten hat.