Terror in Gottes Namen - Blasphemie in Pakistan

Foto: dpa/Rahat Dar
Proteste gegen das Anti-Islam-Video in Pakistan. Auf Schmähungen gegen Propheten und Koran steht in Pakistan die Todesstrafe.
Terror in Gottes Namen - Blasphemie in Pakistan
In Pakistan verbreitet das Gesetz gegen Gotteslästerung unter den Christen Angst und Schrecken. Sie sind der Willkür und Verfolgung durch radikale Muslime ausgesetzt. Der Weltkirchenrat verstärkt nun sein Engagement gegen das Blasphemiegesetz.
19.09.2012
epd
Jan Dirk Herbermann

Rimsha Masih durfte das Gefängnis verlassen - vorläufig. Ein Gericht in Pakistan ordnete vor kurzem eine Haftverschonung für die Christin an, die 13 oder 14 Jahre alt sein soll. Das angebliche Delikt des geistig behinderten Mädchens: Sie soll den Koran geschändet haben, was nach dem pakistanischen Blasphemiegesetz schwer bestraft werden kann. Ein muslimischer Geistlicher soll dem hilflosen Kind verbrannte Seiten des Korans in die Tasche gesteckt haben.

Der Fall des christlichen Mädchens ist Auslöser dafür, dass der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) mit seinen rund 350 Mitgliedskirchen sein Engagement gegen das Blasphemiegesetz in Pakistan intensiviert. Bei einem Kongress in Genf, der am Mittwoch zu Ende ging, betont der Generalsekretär Olav Fykse Tveit: "Die Vorwürfe gegen Rimsha wurden nicht fallengelassen, ihre Anwälte müssen weiter für einen Freispruch kämpfen."

Blasphemiegesetz aus britischer Kolonialzeit

In kaum einen anderen muslimischen Land ist die Lage der Christen so schwierig wie in Pakistan. Das dort geltende Gesetz gegen Gotteslästerung dient radikalen Muslimen als schärfste Waffe. Es ist ein Gesetz, das die christliche Minderheit in "Angst und Schrecken" versetzt, warnt der Weltkirchenrat. Im schlimmsten Fall, der Beleidigung des Propheten Mohammed, droht die Todesstrafe. Nicht nur die Christen, auch Hindus leiden unter dem Gesetz.

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"Wir haben die Verpflichtung, den verfolgten Minderheiten in Pakistan zu helfen", sagt ÖRK-Generalsekretär Tveit. Etwa 95 Prozent der 190 Millionen Pakistani bekennen sich zum Islam, unter den restlichen fünf Prozent sind Christen und Hindus.

Die Wurzeln des Blasphemiegesetzes liegen in der Kolonialzeit. Im Jahr 1927 erklärten die Briten in dem Land Beleidigungen von Religionen zur Straftat. Der Staat Pakistan übernahm bei seiner Gründung 1947 diese Regelung. Laut Mohammad Tahseen, Direktor der Menschenrechtsgruppe Südasiatischen Partnerschaft in Pakistan, kam das Gesetz jahrzehntelang kaum zur Anwendung: "Zwischen 1927 und 1986 zählte man nur sieben Anzeigen wegen Blasphemie", sagt er.

Missbrauch des Gesetzes, um alte Rechnungen begleichen

Doch im Jahr 1986 verschärfte der Militärdiktator Mohammed Zia-ul-Haq das Gesetz. Er wollte den islamistischen Parteien gefallen und den Ruf der Armee als Hüter des muslimischen Glaubens stärken. Seit 1986 gingen rund 4.000 Anzeigen ein. Etliche Menschen kamen hinter Gitter. "Die kleine Rimsha war nicht die einzige, ihr Fall ist einer von vielen", sagte der pakistanische Bischof Samuel Azariah. 

Das Gesetz erzeugt ein Klima der Angst: Viele Christen und Hindus flohen bereits aus ihrer Heimat, da sie die Willkür des Gesetzes fürchten. Die Bestimmungen sind sehr vage formuliert und geben der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden enorme Macht. "In der Mehrheit der Fälle sind die Anschuldigungen falsch", sagt Bischof Azariah. Das Blasphemiegesetz werde häufig missbraucht, um alte Rechnungen zu begleichen.

"Unermessliches Leid"

Christen und Hindus, die im Verdacht stehen, das Gesetz verletzt zu haben, müssen mit dem Schlimmsten rechnen: "Erniedrigung, Angriffe, und außergerichtliche Tötungen" durch radikale Muslime seien die Folge, hieß es seitens des Weltkirchenrates. Zudem müssten beschuldigte Christen und Hindus die Zerstörung ihres Hab und Gutes erdulden.

"Die völlige Zurücknahme des Blasphemiegesetzes ist essenziell", fordert daher Mohammad Tahseen, Direktor der Südasiatischen Partnerschaft. "Es ist ein schlimmes Gesetz, in dessen Namen vielen Menschen in unserem Land unermessliches Leid zufügt wird."