Der Blues der ersten Bilder gibt den Tonfall vor, in dem Lothar Kurzawa die Geschichte seiner traurigen Antiheldin erzählt: Olivia, mit ergreifender Glaubwürdigkeit von Eva Löbau verkörpert, ist ein Mauerblümchen mit bemitleidenswert fragilem Selbstwertgefühl. Und natürlich suchen sich solche Frauen gern Männer, bei denen sie negative Bestätigung finden; Devid Striesow verkörpert den Kerl an ihrer Seite mit einer geradezu unverschämten Selbstgefälligkeit, die jedes Kompliment vergiftet wirken lässt. Aber die Eheszenen sind bloß der Prolog für die eigentliche Geschichte, in deren Verlauf sich die Tochter ausgerechnet an der tyrannischen Mutter wieder aufrichtet. Um zu erreichen, dass sich die beiden aller Antipathie zum Trotz unterm selben Dach einfinden, greift Kurzawa zu einem Wunder: Die letzten zwei Jahre hat Kora (Christine Schorn mit bewährter Stacheligkeit) im Wachkoma verbracht; der Tod ihres zweiten Gatten weckt überraschend ihre Lebensgeister. Weil Olivia ihrem Mann einen Denkzettel verpassen will, zieht sie kurzerhand zurück ins Elternhaus, um Kora, die zunächst noch recht wacklig auf den Beinen ist, zur Seite zu stehen.
Eine neue Liebe
Selbstredend lebt das Mutter/Tochter-Drama in erster Linie davon, dass Löbau und Schorn zwei derart großartige Gegenspielerinnen sind. Wie Kora, einmal dem Rollstuhl entronnen, über sich hinaus wächst, während sich die ohnehin ständig fluchtbereite Oliva immer mehr zu ducken scheint, das ist schon allein körpersprachlich ausgezeichnet dargestellt (Regie: Hermine Huntgeburth). Ein Lob gebührt auch Kostüm und Ausstattung (Sabine Böbbis, Sabine Pawlik), denn die konsequent unauffällig gekleidete Oliva verschwindet fast in der gleichfalls farblosen ältlichen Einrichtung ihres Elternhauses. Doch bei aller Hochachtung vor Löbau und Schorn: Geschichten dieser Art gab es schon viele. Und so erweist es sich als ausgesprochen kluger Schachzug, das Damenduo um einen Herrn zu ergänzen. Im Krankenhaus hat sich Kora eine neue Liebe angelacht: Rudi (Friedrich von Thun) steht ständig unter Strom, ist immer gut drauf und sorgt als Charmeur alter Schule dafür, dass sich beide Frauen wohlfühlen; auch wenn Olivia den angeblichen Konzertmanager, der dauernd wichtige Telefonate führt, für einen Hochstapler hält. Ob dem so ist, spielt irgendwann aber ohnehin keine Rolle mehr, denn Rudi leidet unter einer bipolaren Störung, und so folgt auf die manische Phase schließlich der Zusammenbruch.
"Das Glück ist eine ernste Sache" ist bereits im Winter 2008/2009 entstanden. Der Film hat die Zeit im Lager allerdings unbeschadet überstanden, zumal die Geschichte wie eigentlich alle Arbeiten Kurzawas von zeitlosen Hauptfiguren und Konflikten geprägt ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Nicht minder reizvoll sind daher auch die Nebenrollen: Thomas Kügel als Olivias Therapeut, der sich mitunter etwas unprofessionell verhält, weil ihn die passive Aggressivität der Patientin auf die Palme treibt; und Stephan Grossmann als Koras linkischer, aber freundlicher Nachbar, der genau der richtige Mann für Olivia wäre. Die Musik von Biber Gullatz und Andreas Schäfer, ein melancholischer Bluesjazz, sorgt dafür, dass der Film nicht nur sehens-, sondern auch hörenswert ist.