Der 13. August 1961 war der Anfang vom Ende. Auch wenn es noch 28 Jahre dauern sollte, bis die Mauer fiel: Die völlige Schließung der Grenze war eine Bankrotterklärung des Regimes der DDR, das Eingeständnis des völligen Vertrauensverlustes. Doch die große Politik kommt in diesem Film von Hartmut Schoen (Buch und Regie) nur am Rande vor.
Die Republikflucht
Im Mittelpunkt stehen jene, die die Geschichte erdulden müssen: Das Ostberliner Ehepaar Kuhlke (Heino Ferch, Inka Friedrich) ist zu Besuch bei Freunden im Westen. Als Soldaten die Straßen abriegeln, können die beiden nicht mehr zurück: Kuhlke hat regelmäßig Kupfer geschmuggelt. Bei einer Kontrolle im Zug konnte er zwar gerade noch abgehauen, doch in der zurückgelassenen Tasche mit dem Diebesgut befand sich auch ein Hemd, in das seine Frau fürsorglich seinen Namen eingenäht hat. Für das Ostberliner Regime ist die Republikflucht ein gefundenes Fressen: Weil sie ihren 14-jährigen Sohn Paule (Frederick Lau) zurückgelassen haben, werden die Kuhlkes nun als Rabeneltern gebrandmarkt.
Rückblicke auf die Ereignisse im August 1961 verzichten selten auf das Bild des ostdeutschen Soldaten, der mit dem Gewehr in der Hand über den Stacheldraht in die Freiheit springt, oder jene berühmte Rede, die Walter Ulbrich zwei Tage nach der Grenzschließung gehalten hat: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen". Schoens Film hingegen konzentriert sich ausschließlich auf die Familie. Die Historie trägt sich eher beiläufig zu. Dabei ist die Hauptfigur alles andere als ein Held. Für Heino Ferch ist dies eine durchaus unübliche Rolle: Als Schuldeneintreiber für seinen Freund Erwin (Axel Prahl), der ein Möbelgeschäft besitzt, macht er eine geradezu jämmerliche Figur. Während er alsbald völlig resigniert, nimmt Gattin Katharina das Heft in die Hand und besucht Tag für Tag jenen Grenzübergang, den die Familie regelmäßig benutzt hat. Als Paule sie dort tatsächlich erspäht, will er unbedingt fliehen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Mit Hilfe seiner Klavierlehrerin (Iris Berben) versteckt er sich in einem Haus, das direkt an der Grenze liegt. Es beginnt ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit, denn die Soldaten sind ihnen bereits auf der Spur. Paule nimmt in Schoens Geschichte fast so viel Raum ein wie Hans, denn das Regime will den vermeintlich linientreuen Sohn gegen die Eltern, diese "verirrten, unfertigen Persönlichkeiten", ausspielen.
Hartmut Schoen ist ein großer, dem denkwürdigen Anlass angemessener Film gelungen, der zudem bis in kleine Nebenrollen ausgezeichnet besetzt ist.