Ramadan-Festival als Pendant zum Weihnachtsmarkt

Foto: iStockphoto/burak pekakcan
Das türkische Sesamgebäck Sinit und schwarzer Tee werden auch auf dem Ramadan-Fest in Mainz verkauft
Ramadan-Festival als Pendant zum Weihnachtsmarkt
In Mainz findet in diesem Jahr zum ersten Mal ein Ramadan-Fest während der Fastenzeit statt. Es ist das erste in der Rhein-Main-Region und erinnert eher an einen Jahrmarkt, denn an ein religiöses Fest.

Ein älteres Ehepaar sitzt auf einer Bank und wartet - nicht irgendwo, sondern auf dem Messepark Mainz. Auf ihrer Homepage beschreibt die Mainzer Messegesellschaft das von Ackerfeldern umgebene Areal als den "ultimativen Standort im Rhein-Main-Gebiet". Es sei mit einer "befestigten, umzäunten Fläche von sieben Hektar" ideal, um "die neuesten Produkte, die Leistungsstärke eines Unternehmens oder Industriezweiges in einem dynamischen Umfeld zu präsentieren". Gepriesen wird die "einmalige, zentrale Lage" auch wegen der Nähe zu den Autobahnen 60 und 63, zum Flughafen und zum Mainzer Hauptbahnhof.

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Eben auf diesem Areal veranstalten Mukatder Gül und drei Mitstreiter das erste Ramadan- und Kulturfestival im Rhein-Main-Gebiet. Und dieses Fest wollte das deutsche Ehepaar an einem warmen Sommerabend besuchen, weil es darüber einen Bericht in der Lokalzeitung gelesen hatte. Die Senioren haben einen einstündigen Spaziergang entlang der Felder gemacht und wollten dann auf dem Fest etwas essen. Nun müssen sie sich gedulden, denn anders als in örtlichen Medien berichtet, öffnen die Stände nicht um 18 Uhr. Um diese Zeit ist noch nicht viel los auf dem "Ramazan und Kulturfestival".

Kein Alkohol, dafür Ayran und schwarzer Tee

Zwei Stunden später, gegen 20 Uhr, beginnt sich die Atmosphäre an diesem zunächst unwirtlich wirkenden Ort zu wandeln. Es treffen immer mehr Menschen ein und so geht es quirlig zu auf dem Festplatz, der durch die weißen Pavillons mit den spitzzulaufenden Dächern aus der Ferne an eine Zeltstadt in der Wüste erinnert.

Das "Ramazan und Kulturfestival" ist eine Art Pendant zum Weihnachtmarkt: Es gibt viele Stände mit Speisen und Getränke, aber nichts Alkoholisches, dafür aber schwarzen Tee und Ayran. Statt der Bratwurst wird auf dem Grill Kebab gegart. In Pavillons werden Schmuck, Geschirr, Geschenkartikel und allerlei Krimskrams verkauft. Mitten auf dem Platz steht eine Hüpfburg für Kinder.

Die Idee für diesen Jahrmarkt, der mit dem Beginn Fastenmonats gestartet hat und bis zum 7. August läuft, hatten der aus der Türkei stammende Mukatder Gül und drei weitere muslimische Geschäftsmänner. "Wir haben alles in kurzer Zeit organisiert", berichtet der in Wiesbaden lebende 41-Jährige und es klingt so, als wollte er damit sagen, dass bei diesem Festival nicht alles perfekt sei.

Das erste Fest seiner Art im Rhein-Main-Gebiet

Erst vor vier Monaten gründeten Gül, der hauptberuflich eine Schule für Kampfsport betreibt, und seine Freunde eine GmbH. Sie akquirierten Händler und Gastronomen – sogar aus der Türkei – um am Stadtrand von Mainz eine Atmosphäre zu schaffen, wie es sie etwa auf einem Ramadan-Fest in Istanbul gibt.

Ein Ramadan-Fest über vier Wochen – das ist ein neues Phänomen in Deutschland. Eine vergleichbare Feier gibt es bereits in Dortmund. Dort heißt es "Festi Ramazan". Die Veranstalter werben damit, "Europas größtes Ramadan-Fest" zu sein. Das Fest läuft schon zum zweiten Mal. Ein Zeichen dafür, dass es im vergangenen Jahr auf Interesse stieß. Nun ist aber das Ruhrgebiet nicht mit der Rhein-Main-Region zu vergleichen, wo weitaus weniger Migranten leben und damit auch der Anteil der muslimischen Bevölkerung geringer ist.

Die Stände auf dem Ramadan-Fest in Mainz

Gül und seine Kompagnons müssen ihre eigenen Erfahrungen mit dem Veranstalten eines Jahrmarktes machen, der alle Muslime und Nicht-Muslime gleichermaßen ansprechen will. Noch will dieser Spagat nicht so recht gelingen: Nicht alle Standbetreiber halten sich daran, Speisen und Getränke schon von 18 Uhr an bereitzuhalten; das abendliche Unterhaltungsprogramm richtet sich vor allem an türkischstämmige Muslime; die nicht-muslimischen, deutschen Besucher können mit dem Warenangebot aus religiösen Büchern in türkischer Sprache, Kopftüchern und Mode für Muslimas nicht wirklich etwas anfangen. Zudem konkurrieren die islamischen Gemeinden miteinander und deshalb fühlen sich nicht alle Muslime von vornherein von dem Fest angesprochen.

So stammen die meisten Besucher auf dem Fest aus der Türkei. Es sind Paare, Gruppen von jungen Männer und jungen Frauen, Familien mit Kindern, die sich allabendlich auf dem rund 150.000 Quadratmeter großen Areal treffen. Der Großteil der Besucher kommt erst kurz vor dem Iftar, der Zeit des Fastenbrechens. Und die ist in diesem Jahr gegen 21.30 Uhr.

Gemeinsames Fastenbrechen auf Biergartenbänken

Nach einem Bummel entlang der Stände, bei dem sich die Besucher mit Essen und Getränken versorgt haben, nehmen sie Platz an Biergartenbänken. Dann beginnt das gemeinsame Fastenbrechen. Das Signal dafür, dass die Zeit zum Essen gekommen ist, ist der Gebetsruf des Muezzin, der über Lautsprecher zu hören ist. "In der Gemeinschaft das Fasten zu beenden, das ist ein schöner Moment", sagt eine junge Frau, die Kopftuch trägt. Gekommen ist sie mit Freundinnen, "um sich eine Abwechslung zu gönnen".

Es könnten sich durchaus mehr Muslime eine Abwechslung auf dem Fest gönnen: Dieser Wunsch ist immer wieder von den Standbetreibern zu hören. Dass der Andrang nicht so groß ist, liegt auch daran, dass sich die Schulferien in Hessen und Rheinland-Pfalz mit dem Fastenmonat überlappen. Viele muslimische Migranten nutzen die Ferienzeit für den Heimaturlaub. "Das ist schade, weil sich die Organisatoren wirklich viel Mühe gegeben haben", sagt Halis Özdemir. Um auf dem Ramadan-Festival einen Stand zu betreiben, hat er sein Lebensmittelgeschäft im südhessischen Mörfelden für vier Wochen geschlossen.

Schöne Atmosphäre lässt fehlende Kundschaft vergessen

Unterstützt wird der 52-Jährige von Ehefrau, Tochter und Sohn. Familie Özdemir serviert Abend für Abend "Tantuni", ein geschnetzeltes Fleisch, das mit einer speziellen Würzmischung geschmort wird. Die Özdemirs gehören zu den Standbetreibern, die mehr über die schöne Atmosphäre auf dem Fest schwärmen, als über die fehlende Kundschaft klagen.

"Eigentlich wollte ich einen Stand in Dortmund mieten", sagt ein anderer Geschäftsmann. Er habe die Anmeldefrist verpasst und sein Glück in Mainz versuchen wollen. Ob er im nächsten Jahr dabei sein werde, wisse er noch nicht.

Nächstes Mal lieber kein Ramadan-Fest während der Schulferien

Zu einer Manöverkritik treffen sich die vier Organisatoren aus Wiesbaden nach dem dreitägigen Ramadan-Fest, das am 8. August beginnt. Sie werden sich mit der Frage befassen, ob sie im nächsten Fastenmonat wieder solch einen Jahrmarkt ausrichten wollen. Eines spreche dafür: Die Schulferien in Hessen und Rheinland-Pfalz beginnen erst Ende Juli, so dass sich Festival und Urlaubszeit nicht überlappen würden. Von muslimischen Besuchern in Mainz ist jedenfalls zu hören, dass sie es "schön" fänden, wenn sich das Ramadan-Fest als Gegenstück zum Weihnachtsmarkt etablieren würde.