Kurz vor meinem Abflug aus Bangkok nach Abu Dhabi fällt es mir ein: oh mein Gott, die muslimische Welt begeht den Ramadan. Schnell im Internet schlau gemacht, wie ernst der islamische Fastenmonat in den arabischen Ländern genommen wird. Sehr ernst. Restaurants und Cafés haben tagsüber zu. Auch von nicht-muslimischen Besuchern wird mehr als nur Respekt vor den religiösen Sitten des Gastlandes erwartet. Also vor der Abreise im deutschen Deli "Bei Otto" noch schnell etwas Dauerwurst und Brot gekauft. Man weiß ja nie.
Landeanflug auf Abu Dhabi. Nach der Ermahnung, den Sicherheitsgurt zu schließen folgt der eindringliche Hinweis: "Besucher der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind gehalten, die Regeln des islamischen Fastenmonats zu beachten." Mit anderen Worten: zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang muss auf Essen und Trinken verzichtet werden. Zumindest in der Öffentlichkeit. Wer sich nicht daran hält, dem drohen Strafen und im schlimmsten Fall gar Gefängnis. Was hinter verschlossenen Türen, oder, wie ich später lerne, hinter schwarzen Vorhängen passiert, ist eine andere Sache.
"Ausnahmen vom Ramadan werden in vielen Hotels geduldet"
Nicht-Muslime müssen jedoch keinesfalls hungern und dürsten, wie mich mein Freund Dody später am Nachmittag beim Cappuccino im ersten Stock, also von der Straße nicht einsehbaren, gelegenen italienischen Restaurants in einem der besseren Hotels der arabischen Metropole beruhigt. "Ausnahmen vom Ramadan wie diese hier werden in vielen Hotels geduldet", weiß der 32-jährige der Bauingenieur aus Jordanien, der als frommer Muslim natürlich auf mediterrane Kaffeespezialitäten Cappuccino verzichten muss. "Das gute am Ramadan sind die verkürzten Arbeitszeiten", erzählt Dody.
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Auf der Schlittschuhbahn in der Marina Mall zieht einsam ein einzelner Läufer seine Runden. Viele Läden in der sonst so geschäftigen Shopping Mall mit Blick auf den im Sonnenlicht glitzernden Persischen Golf sind geschlossen. In der Stadt sind tagsüber fast nur buddhistische Nepalesen und Ceylonesen, Hindus aus Indien und Katholiken von den Philippinen in der Stadt unterwegs, die zu den rund vier Millionen Arbeitsmigranten gehören, die 80 Prozent der Bevölkerung der VAE stellen. Tess Cruz, eine philippinische Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft auf dem Gemüsemarkt, sagt gelassen: "Ich esse und trinke nur heimlich, damit mich meine muslimischen Kollegen nicht sehen. Ich will sie ja nicht verführen."
Nichts trinken bei 47 Grad Celsius
Rasool Zaman hat nichts gegen das Fasten einzuwenden, solange es nur auf den Verzicht auf Essen geht. Aber auch in der arabischen Hitze 17 Stunden lang nicht trinken zu dürfen findet der Muslim aus dem pakistanischen Waziristan nicht richtig. "Für mich als Taxifahrer ist es nicht so schlimm. Im Auto ist es durch die Klimaanlage ja kühl. Aber für die, die bei 47 Grad Celsius im Freien arbeiten müssen, ist es tragisch." Die religiösen Autoritäten islamischer Länder erteilen aber auch Ausnahmegenehmigungen. Kranke oder Schwangere zum Beispiel müssen nicht fasten.
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Perera muss seine volle 12-Stunden-Schicht arbeiten. Aber als Buddhist aus Sri Lanka und Mitarbeiter eines Starbucks Cafés er kann essen und trinken soviel er will und vor allem wann er will. Die schwarzen Vorhänge an den Fenstern der Filiale der amerikanischen Kaffeekette schützen vor Blicken religiöser Sittenwächter. Aber sich an diesem Nachmittag nach ein paar Stunden Sightseeing gemütlich in den wunderbar kühlen Räumen niederzulassen und bei einem Kaffee im Internet zu surfen ist nicht. "Tagsüber gibt es nur Kaffee und Kuchen zum mitnehmen", sagt Perera achselzuckend. Viel zu tun haben er und seine Kollegen nicht. "Wir haben seit sieben auf, aber viele Kunden sind bisher nicht gekommen."
In die Lobby des Superluxushotels Emirates Palace würde gut und gern ein Eifeldorf passen. Aber die riesige Halle aus Marmor, Gold und bunte Kacheln und noch mehr Marmor und Gold ist leer. Das Lobbycafé, in dessen üppig gepolsterten Sesseln sonst reiche Scheichs und russische Milliardäre mit 24-Karat-Blattgold bestreute Cappuccinos schlürfen, ist geschlossen. Natürlich wegen des Ramadans. Aber auch in dem Hotelpalast gilt das Starbucksprinzip: Allah ist Allwissend, aber er sieht nicht alles. Der Cafébetrieb ist während des Ramadan einfach in einen Seitenraum verlegt worden. Die Fenster zur Lobby sind standesgemäß mit Goldfolie beklebt statt mit schnöden schwarzen Baumwolldecken verhängt. Die Fenster im Café aber geben den Blick frei auf Strand, Meer und schicken Schiffe im Yachthafen. Hier kann man den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, sich beim Tee an den Datteln und arabischen Süßigkeiten gütlich tun, die das Hotel als kleine, kostenlose Aufmerksamkeit anbietet, und darüber sinnieren, warum um Himmels Willen auch der Kamelburger mit besagtem Goldstaub bestreut wird. Reichen Rolex und mit Juwelen besetzte Handys nicht mehr als Statussysmbol?
Zum Fastenbrechen erwacht das Leben
Nach Sonnenuntergang erwacht schlagartig das arabische Abu Dhabi zum Leben, wenn Punkt 19 Uhr 15 wird aus den Lautsprechern der Moscheen Abu Dhabis Iftar, das Fastenbrechen, verkündet wird. Dann geht das große Schlemmen los und Starbucks zieht die Vorhänge zur Seite. Üppige Buffets zu oft üppigen Preisen lassen das lange Fasten vergessen. "Selbst internationale Fastfoodketten bieten Ramadan-Kareem-Specials", lacht Dody und erklärt: "Kareem bedeutet in etwa 'großzügig' und damit ist nicht nur die Iftar-Völlerei gemeint, sondern auch die Aufforderung, sich bei Spenden für Arme generös zu zeigen."
Iftar ist wie unser Weihnachtsessen, nur dass es die Leckereien nicht nur an zwei Tagen, sondern einen Monat lang jeden Abend gibt. Das geht auf die Hüften, weshalb Dody während des Ramadan häufiger als gewöhnlich ins Fitnessstudio geht.
Für Zehntausende Muslime ist die strahlend weiße Sheikh-Zayed-Moschee das Iftar-Mekka, denn hier gibt es kostenlose Iftar-Dinner-Fresspackete. Nach Gebeten in einem der Zelte oder auf dem Rasen vor der grandiosen Moschee machen sich die meist männlichen, muslimischen Gastarbeiter aus Pakistan, Indien und Bangladesch mit Heißhunger über Reis, Curry, Hühnchen, Obst und Wasser her. Übrig bleiben nach der hastig verschlungen Mahlzeit leere Kartons, Plastiktüten und Essensreste. Obwohl es im Ramadan um Fasten und Bescheidenheit, ist paradoxerweise Verschwendung ein großes Problem während des Ramadan. Untersuchungen in islamischen Ländern haben gezeigt, dass während des Ramadans die Menge des organischen Abfalls um fast 50 Prozent ansteigt.
Internetblockaden für Kochrezepte
Bei westlichen Expats steht das "Captain’s Arms" hoch im Kurs. Auf der Karte der fensterlosen Kneipe im britischen Pub-Stil stehen englische Gerichte wie "Bangers and Mash" (Würstchen mit Kartoffelpüree), Lammhaxen und Fish’n Chips. Aus den Zapfhähnen fließen Köpi und Guinness, Stella Artois und Bitburger – auch während des Ramadan.
Zurück im Hotel schnell noch auf im Internet geschaut, was es Neues in der Welt gibt. NSA, Merkel, Travyon Martin, also nichts besonders. Ansprechend aber ist das Rezept "Leckere Fischstäbchen selbstgemacht" von Starköchin Sarah Wiener. Draufgeklickt, aber statt Text und Rezept erscheint in weißer Schrift auf grauen Grund die Mitteilung: "Diese Seite ist derzeit gesperrt." Sie falle gemäß der Internetpolitik der VAE unter die "verbotenen Inhalte". Hat die Zensur übers Ziel hinausgeschossen oder sind selbst Rezepte während des Ramadan tabu?
PS: Dauerwurst und Brot wurden nicht wirklich gebraucht, haben aber das teure Hotelfrühstück erspart.