TV-Tipp des Tages: "Bin-Jip – Der Schattenmann" (3sat)

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TV-Tipp des Tages: "Bin-Jip – Der Schattenmann" (3sat)
TV-Tipp des Tages: "Bin-Jip – Der Schattenmann", 25. Juli, 23.50 Uhr auf 3sat
3sat ehrt den südkoreanischen Regisseur Kim Ki-duk mit zwei Filmen. Um 22.25 zeigt der Sender das ungewöhnliche Liebesdrama "Hwal – Der Bogen". Noch sehenswerter ist die anschließende Romanze "Bin-Jip".

Dieser Mann ist wahrlich kein Verbrecher. Gewiss, er dringt widerrechtlich in fremde Wohnungen und Häuser ein. Doch seine Form der "Ent-Leerung" hat nichts mit Diebstahl zu tun: Er vertreibt die Leere, indem er sich das Leben anderer Menschen leiht. Er nimmt ein Bad, macht sich was zu essen und schläft im fremden Bett. Als Gegenleistung erledigt er wie ein Heinzelmännchen die Wäsche, führt kleinere Reparaturen durch und kümmert sich um die Pflanzen. Zur Erinnerung fotografiert er sich selbst, am liebsten gemeinsam mit Fotos der Bewohner. Sein Trick ist simpel: Er klebt einfach einen Werbezettel übers Türschloss. Hängt das Blatt abends noch da, weiß er, dass niemand heimgekommen ist; die Ansage auf dem Anrufbeantworter verrät in der Regel, wie lange die Bewohner fort sind. Doch die Methode hat ihre Tücken: Zuweilen kehren die Menschen früher zurück; andere haben ihre Wohnung gar nicht erst verlassen. Gerade das aber erweist sich als Glücksfall für Tae-suk (Jae Hee): Die schöne Sun-hwa (Lee Seung-yeon) wird von ihrem zu Gewalt neigenden Mann in einen goldenen Käfig gesperrt. Schweigend schließt sie sich Tae-suk an, ebenso schweigsam stellt sie sich an seine Seite, als er wieder mal Erinnerungsfotos schließt.

Sun-hwa bricht ihr Schweigen

Schon in seiner eindrucksvollen Poesie "Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling" kam der Koreaner Kim Ki-duk weitgehend ohne Dialoge aus. In "Bin-Jip" (Leere Häuser) perfektioniert er seine Methode: Die lakonische Liaison zwischen dem Stadtnomaden und dem früheren Fotomodell ist komplett wortlos. Und mehr noch: Gegen Ende gelingt Tae-suk, dem guten Geist, endgültig die metaphysische Metamorphose. Führte er bislang ein Leben in unbehausten Domizilen, so ist er nun in der Lage, sich im toten Winkel der menschlichen Wahrnehmung einzurichten. Endlich bricht Sun-hwa ihr Schweigen: Freudig verblüfft nimmt ihr Gatte die Worte "Ich liebe dich" zur Kenntnis, nicht ahnend, dass er überhaupt nicht gemeint ist.

Zwischen erstem und letztem Akt jedoch erzählt Kim Ki-Duk, der für "Bin-Jip"  in Venedig mit dem "Silbernen Löwen" für die beste Regie ausgezeichnet wurde, eine der wohl ungewöhnlichsten Romanzen überhaupt. Bei aller Liebe ist der Film gleichzeitig geprägt von Brutalität: Tae-suk zahlt Sun-hwas Mann die Gewalt, die er ihr angetan hat, heim, indem er Golfbälle auf seinen Körper drischt; später wird sich der gehörnte Gatte auf die selbe Weise rächen. Als das schweigsame Paar in die Wohnung eines Toten eindringt und den Mann rituell bestattet, fliegt die Hausbesetzerei endgültig auf. Ein Polizist versteht Tae-suks Schweigen falsch, fühlt sich durch das engelsgleiche Lächeln des Jungen verhöhnt und verprügelt ihn. Das gleiche Schicksal widerfährt Tae-suk im Gefängnis, als er einen tumben Wärter mit seiner Geistwerdung mehrfach in die Irre führt.

Diese explodierende Gewalt wirkt wie ein Fremdkörper, zumal sie oft unvermittelt entsteht. Tae-suk hat sich eine eigenwillige Form des Trainings ausgedacht: Er bohrt ein Loch in den Golfball, befestigt ihn an einem Baum und kann den Ball nun schlagen, ohne dass dieser davon fliegt. Einmal löst sich die Schnur; die Kugel kracht wie ein Projektil durch die Windschutzscheibe eines Autos und trifft eine Frau tödlich. Anders als die leeren Häuser ist diese scheinbar sinnlose Gewalt keine Metapher, sie steht für sich selbst, so wie sich auch die Gewalt in der Gesellschaft nicht immer erklären lässt. Aber schließlich sind selbst Engel nicht frei von Fehlern.