Die britischen Bomber orientierten sich bei ihren ersten Anflügen auf Hamburg an der Hauptkirche St. Nikolai, dem dritthöchsten Kirchturm Deutschlands. Mehr als 100.000 Sprengbomben gingen bei der "Operation Gomorrha" vor 70 Jahren auf Hamburg nieder. Innerhalb von zehn Tagen starben mehr als 35.000 Menschen. Bis heute sind die Narben des Feuersturms in der Stadt sichtbar. Dass die Bomben eine so verheerende Wirkung hatten, lag vor allem am schönen Sommerwetter.
Hamburg hatte bis Juli 1943 bereits 137 Luftangriffe erlitten, bei denen 1.400 Menschen getötet wurden. Das war jedoch wenig im Vergleich dazu, was die Briten in Anlehnung an die Bibel "Operation Gomorrha" genannt hatten. "Der Herr ließ Schwefel und Feuer regnen auf Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner", heißt es im ersten Buch Mose.
Die meisten erstickten in Luftschutzbunkern
Rund 800 britische Bomber erreichten am 25. Juli 1943 kurz nach Mitternacht die Elbe. Es folgten weitere Angriffe der britischen und der US-Luftwaffe. Am Ende waren rund 900.000 Menschen obdachlos. 24 Krankenhäuser waren zerstört, 277 Schulen und 58 Kirchen. Es waren die bis dahin schwersten Luftangriffe des Krieges.
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Verheerend für den Osten Hamburgs war vor allem der Feuersturm am 27. und 28. Juli. An diesen Tagen war in Hamburg richtig Sommer: Noch am frühen Abend lagen die Temperaturen bei 30 Grad. Phosphorbomben setzten viele große Wohnhäuser vom Erdgeschoss an blitzartig in Brand. Durch den heißen Untergrund und die trockene Luft begünstigt bildete sich wie in einem Kamin ein "Luftschornstein". Mit orkanartiger Geschwindigkeit von mehr als 250 Stundenkilometern zogen die Flammen nach oben und ließen auch kleinere Feuer immer wieder aufflammen.
In der Eiffestraße, eine der Verkehrsachsen in Hamm, war der Asphalt geschmolzen. "Menschen blieben mit den Füßen stecken, versuchten sich mit den Händen loszustemmen. Nun lagen sie da auf Händen und Knien und schrien", beschreibt es eine damals 19-jährige Anwohnerin. Allein in dieser Nacht starben rund 30.000 Menschen. Die meisten wurden nicht durch Bomben getötet, sondern erstickten in den Luftschutzbunkern, weil der Feuersturm den Sauerstoff aufsog. Andere verglühten bei Temperaturen von bis zu 800 Grad. Hamm hatte im Mai 1943 noch 90.316 Bewohner. Im Oktober wurden nur noch 622 Lebensmittelkarten angefordert.
Hund und Katze: "letzte Gemeindeglieder"
Seine Mutter, so erinnert sich der Polit-Sänger Wolf Biermann, habe den Fünfjährigen huckepack genommen und sei mit ihm durch den Nordkanal geschwommen. "In jener Nacht fiel Schwefel aus den Himmeln in das Fleet / Drei Männer brannten vor mir wie Heil-Hitler-Fackeln ab", dichtete er später. Der Schriftsteller Ralph Giordano hat die Bombenangriffe in Barmbek miterlebt und sie später in seinem Bestseller "Die Bertinis" verarbeitet: "Das Brüllen der Geschütze, das Pfeifen der fallenden und die Detonation der krepierenden Bomben, das Geheul des Feuers."
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Der spätere Landesbischof Volkmar Herntrich schrieb über eine Fahrt wenige Tage nach den Angriffen: "Wir fuhren eine halbe Stunde lang in voller Fahrt durch Straßen, in denen nicht ein einziges Haus mehr stand, das nicht von oben bis hinab in den Keller vollständig ausgebrannt war." Seine Kirche St. Katharinen war ebenso zerstört wie die umliegenden Häuser. "Nichts als Ruinen und Trümmer, die Straßen zimmerhoch mit Schutt beladen." In einem Fenster entdeckte er einen Hund und eine Katze. Herntrich: "Das waren die letzten 'Gemeindeglieder' von St. Katharinen."
Weitere Bomberangriffe folgten, doch war die Zerstörung wegen aufkommender Wolken und Gewitter nicht mehr so groß. Erklärtes Ziel der Alliierten waren die Zerstörung der Kriegsindustrie und Demoralisierung der Bevölkerung. Doch nur wenige Tage nach den Angriffen fuhren bereits Straßenbahnen, im Hafen wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Im November waren rund 80 Prozent der Rüstungsindustrie wieder arbeitsfähig. Auch offene Auflehnung gegen die Nazi-Herrschaft ist nicht dokumentiert.
St. Nikolais Steine befestigen heute das Elbufer
Doch die Hamburger Historikerin Ursula Büttner ist skeptisch. Zwar sei die Arbeitsdisziplin offiziell gelobt worden, andere Quellen belegten aber eine gesunkene Arbeitsmoral. Viel entscheidender sei jedoch, dass sich mit den Großangriffen die Einstellung vieler Hamburger zum Krieg und zum NS-Regime geändert habe.
Der St. Nikolai-Turm, Orientierungspunkt der britischen Bomber, ist heute Mahnmal für die Kriegsopfer. Auch St. Nikolai war durch Fliegerbomben schwer beschädigt worden, Wände und Turm blieben aber stehen. Doch weil die City keine weitere Hauptkirche mehr brauchte, beschloss der Senat 1951 den Abriss des Kirchenschiffs. Mit den Steinen wurde das Elbufer befestigt. Unter St. Nikolai wird derzeit das Museum über den Bombenkrieg erweitert. Es soll am 1. September 2013 neu eröffnet werden - dem Jahrestag des Kriegsbeginns.