Als der Killer die Frau ohne großes Federlesen tatsächlich umbringt, stellt der Polizist später trocken fest, jetzt sei wenigstens das Briefgeheimnis wiederhergestellt. Dabei ist dieser Helge Vogt alles andere als ein cooler Hund, der kaltblütig über Leichen geht. Eigentlich ist er sogar ein ziemlich unscheinbarer Held, ein einfacher Polizist auf der Nordseeinsel Amrum, der angesichts einer außergewöhnlichen Bedrohung über sich hinauswachsen muss: Schergen der russischen Mafia wollen eine junge Moldawierin töten, die im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms auf der Insel untergetaucht ist. Die Killer kennen keine Gnade; zwei BKA-Beamte und Helges Chef haben sie schon auf dem Gewissen. Jetzt ist der junge Mann völlig auf sich allein gestellt: Wegen eines Orkans ist Hilfe vom Festland nicht möglich; und seine Freunde haben angesichts der Skrupellosigkeit der Eindringlinge die Waffen gestreckt. Einzig der Bestatter steht Helge zur Seite; gemeinsam nehmen sie den ungleichen Kampf auf.
Auf der Insel gibt es kein Entkommen
"Mörder auf Amrum" (2010) war die bereits vierte gemeinsame Arbeit von Autor Holger Karsten Schmidt ("Die Sturmflut", "Das Papstattentat") und dem Schweizer Regisseur Markus Imboden. So makaber wie diesmal hatten sie es in den gemeinsamen Werken bis dahin allerdings noch nie getrieben, auch wenn sich in Filmen wie "Der Tote in der Mauer" oder "Mörderische Erpressung" gleichfalls diverse schräge Gestalten tummelten. In diesem Fall wird die Fallhöhe noch verstärkt durch den Schauplatz. Dorfkrimis waren die anderen Geschichten auch. Auf der Insel aber gibt es kein Entkommen, alle sind irgendwie an den Ereignissen beteiligt. Außerdem wirkt das Eiland jenseits der touristischen Hochsaison unglaublich trostlos; die Bildgestaltung (Peter von Haller) verstärkt diese Unwirtlichkeit noch. Um so skurriler mutet ein Dialog zwischen dem Killer-Chef (Roeland Wiesnekker) und dem Provinzpolizisten an, als der Gangster Amrum als "armselig" bezeichnet und sich Helge erst dann auf Verhandlungen einlässt, als der Russe die Beleidigung zurücknimmt.
Wie schon in "Mörderische Erpressung" ist Hinnerk Schönemann die ideale Besetzung für den etwas naiv wirkenden Beamten, den auch diverse Schusswunden nicht daran hindern können, die junge Frau (Irina Potapenko) zu beschützen. Natürlich sind Ähnlichkeiten zu seinen beiden populären Polizistenrollen in der ProSieben-Serie "Dr. Psycho" oder der ZDF-Krimireihe "Marie Brand" nicht zu vermeiden, dafür ist Schönemann einfach ein viel zu prägnanter Typ. Trotzdem genügen ihm ein paar Kleinigkeiten, damit sich Helge von den eher großmäuligen und leicht begriffsstutzigen Kollegen unterscheidet. Offenkundig sind hingegen die Parallelen zu seiner Rolle in "Mörderische Erpressung"; hier spielte er gleichfalls einen vordergründig schlichten Dorfpolizisten, der von seinen Gegnern unterschätzt wird.
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Die Filme sind trotzdem schon allein dank des oftmals subtilen schwarzen Humors in "Mörder auf Amrum" völlig unterschiedlich. Mit viel Liebe sind auch die Einheimischen ersonnen. Ganz wunderbar getroffen ist beispielsweise die Postbotin (die letzte Rolle der bereits todkranken Barbara Rudnik), die in Helges Stammkneipe fröhlich über die intimen Geheimnisse ihrer Kunden plaudert. Der Bestatter (Hermann Beyer) wiederum klagt über schlechte Geschäfte, zumal verstorbene Touristen stets in die Heimat überführt werden. Die verschiedenen Schießereien hingegen hat Imboden angemessen packend inszeniert, so dass sich zwischen Thriller und Komödie ein zusätzliches Spannungsverhältnis ergibt. Nicht nur wegen der Parallelen zu "High Noon" ein überaus reizvoller Nordsee-Western mit einem verblüffenden Happy End. Schmidt, Imboden und Schönemann sind für diesen Film mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden.