Sie kommen vermummt und hinterlassen zerstörte Felder. Der Protest gegen gentechnisch verändert Pflanze bleibt nicht immer gewaltfrei. Unvereinbar stehen sich in der Diskussion um Grüne Gentechnik zwei Lager gegenüber. Während die Befürworter von ertragreichem Saatgut schwärmen, der Möglichkeit, Pflanzen mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu züchten, warnen Gegner vor den Folgen der Technik und der Macht großer Konzerne wie Monsanto.
###autor### Vor über 15 Jahren, 1996, wurden in den USA die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen ausgesät. Weltweit wurden 2012 auf 170 Millionen Hektar Ackerfläche transgene Samen gepflanzt (zum Vergleich: Deutschland ist 35 Millionen Hektar groß). Ein Siegeszug für die Technologie? Nicht, wenn man nach Europa schaut: Abgesehen von Spanien und Portugal spielt die Gentechnik in der Landwirtschaft kaum eine Rolle. In Deutschland hat die Regierung 2009 ein Verbot für den Anbau von gentechnisch veränderten Bt-Mais (MON810) verhängt. Bis dahin wurde er auch hier angebaut.
Mit Gentechnik gegen den weltweiten Hunger?
Das Thema Grüne Gentechnik ist damit in Deutschland aber nicht vom Tisch. Zum einen ist der Lebensmittelmarkt so global, dass auch Produkte in unseren Supermärkten nicht zwangsläufig frei von Gentechnik sind. Zum anderen versprachen Befürworter schon früh die Lösung globaler Probleme. Die Grüne Gentechnik bringe nicht nur ertragreiche Pflanzen hervor, sondern auch Sorten, die besonders resistent gegenüber Dürre und Überschwemmungen sind. Also die ideale Technologie, um den Hunger der wachsenden Weltbevölkerung zu stillen?
###mehr-artikel### "Nach unseren Erfahrungen hat die Grüne Gentechnik bislang keinen Beitrag zur Hungerbekämpfung geleistet", zieht Dr. Bernhard Walter, Ernährungsexperte von Brot für die Welt, ernüchtert Bilanz. Mit Mais, Soja, Baumwolle und Raps hätten Saatgutunternehmen bisher vor allem gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Markt gebracht, die bei der Armutsbekämpfung nicht relevant seien. Walter warnt zudem vor zu einfachen Lösungsansätzen. Hungersnöte hätten komplexere Ursachen und könnten nicht einfach durch gentechnisch veränderte Pflanzen vermieden werden. Auch Dr. Stephan Schleissing, Geschäftsführer des Instituts Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU München, äußert sich kritisch: "Mit dem Argument Welthunger wurde Politik betrieben."
Zweifel und Hoffnung wechseln sich ab
Dr. Dirk Zimmermann, Gentechnik-Experte bei Greenpeace bezweifelt, dass gentechnisch veränderte Pflanzen jemals einen Beitrag zu Hungersnöten leisten könnten: Bislang seien vor allem Pflanzen auf dem Markt, bei denen durch den Tausch eines einzelnen Gens eine Veränderung erreicht wurde. "Dürreresistente Pflanzen sind viel komplexer." Einfacher sei es, entsprechende Pflanzenarten auf herkömmlichem Wege zu züchten.
Die Professorin Inge Broer von der Uni Rostock kann die Kritik verstehen: "Es wäre natürlich besser gewesen, wenn wir gleich am Anfang eine Pflanze mit erkennbarem Nutzen für den Verbraucher gezüchtet hätten. Aber das konnten wir nicht." Broer entwickelt seit Jahrzehnten gentechnisch veränderte Pflanzen und erforscht deren Biosicherheit. Sie glaubt weiter an die Idee, mit Hilfe der Gentechnik die Lebenssituation von Menschen verbessern zu können und die Umwelt weniger zu beeinträchtigen.
Die Macht der Konzerne
"Wir konnten der Technik nicht die nötige Zeit lassen", sagt Broer. Schnell seien große Unternehmen mit eingestiegen, da die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen einen wirtschaftlichen Mehrwert versprachen. "Das hat natürlich zum einen die Forschung gefördert, weil mehr Gelder kamen. Aber es hat ihr auch heftig geschadet. Es hat das Image kreiert, dass Grüne Gentechnik nur was für große Konzerne ist", sagt Broer. Tatsächlich ist die Macht von Konzernen wie Monsanto einer der großen Kritikpunkte an der Grünen Gentechnik.
"Wären die Erkenntnisse der Forschung und die Pflanzen Gemeinschaftsgut, müsste man die Gentechnik nicht zu hundert Prozent ablehnen", sagt Walter von Brot für die Welt. Auch Broer würde lieber sehen, dass alle von der Technik profitieren können. Doch die massiven Proteste hätten zu teilweise überhöhten und wissenschaftlich nicht begründeten Anforderungen geführt, die eine Zulassung für kleinere Firmen und erst recht wissenschaftliche Einrichtungen unmöglich machen.
"Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht"
Ihre Vormachtstellung nutzen Konzerne dafür, ihre Aktivitäten weiter zu streuen. Walter erzählt: "Die Konzerne versuchen die Gesetzgebung in den afrikanischen Staaten zu beeinflussen, um so Türen zu öffnen." Kritiker fürchten, dass Afrika auf diese Weise zum Versuchsfeld für mögliche Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen werden könnte.
Ob ein gesundheitliches Risiko besteht, ist heute unklar. Es gibt Studien, die die Unbedenklichkeit der Pflanzen nachweisen, andere legen mögliche Gefahren nahe. Methodisch werden die meisten von ihnen in Fachkreisen kritisch gesehen. "Absolute Sicherheit kann niemand garantieren, auch die Forschung nicht. Aber wir können hohe Standards erreichen", sagt Broer. Eigentlich hatte Inge Broer als Doktorandin angefangen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu forschen, um Risiken nachzuweisen. "Ich habe nie etwas finden können", erzählt die Wissenschaftlerin heute.
Spielen wir Gott?
"Eines der größten Risiken ist", sagt Zimmermann, "dass man den Einsatz nicht rückgängig machen kann." Mehr noch als die Folgen für den Menschen fürchte er die Auswirkung auf die Natur. Eine Einschätzung, die Zimmermann mit einem Großteil der Bevölkerung teilt. Schleissig kritisiert, dass zu viele Menschen in dieser Debatte allein auf ihr Bauchgefühl vertrauen. Skepsis gegenüber technischen Innovationen sei etwas Gutes, sagt der Theologe. Man dürfe an dieser Stelle jedoch nicht stehen bleiben. "Dann entzieht man sich der Verantwortung. Das ist keine evangelische Position." Man müsse offen sein für wissenschaftliche Erkenntnisse. Deshalb fordert er Langzeitstudien, um die Risiken von Gentechnik besser abschätzen zu können.
Das Argument, dass der Mensch Gott spiele, lässt Schleissig ebenfalls nicht gelten. Wer so argumentiere, setze das Göttliche mit den Genen gleich, sagt der Theologe. Das ginge jedoch am eigentlichen Schöpfungsbegriff vorbei. Viel mehr verlange die Bewahrung der Schöpfung nach einem schonenden Naturumgang, der immer im Zusammenhang mit globaler Gerechtigkeit gesehen werden müsse.