Der Film beginnt ohne Umschweife. Es gibt keinen Prolog, keine Einführung, keine Erklärungen, man ist gleich mittendrin; und entsprechend orientierungslos. Für einen Fernsehfilm ist das durchaus mutig, und zwar nicht nur, weil es eine Weile dauert, bis man die Handlung einigermaßen durchblickt. Auch bei den vier Protagonisten weiß man lange nicht, wer die Guten und wer die Bösen sind; niemand identifiziert sich gern mit einer Figur, die sich am Ende als Mörder entpuppt.
Ermittlungen auf eigene Faust
Entsprechend komplex ist die Handlung, die sich unmöglich in einem Satz zusammenfassen lässt: Hauptkommissar Kleinert (Heino Ferch) verabredet sich mit seiner Freundin Carla in einem Hotel in Istanbul. Als er dort eintrifft, ist Carla tot. Der Mann, den er für den Mörder hält (Jürgen Vogel), entpuppt sich nicht nur als verdeckt ermittelnder BKA-Mitarbeiter, sondern auch als Ehemann der Toten. Kurz drauf werden ihre Mutter und ihre Tochter ermordet. Kleinert hat keine Ahnung, wo er da hineingeraten ist, wird zu allem Überfluss auch noch suspendiert, ermittelt aber auf eigene Faust weiter. Eine schöne BKA-Beamtin (Ina Weisse) ist auf seiner Seite, aber ganz sicher ist er sich nicht. Einzig ihr Chef (Peter Simonischek) scheint eine saubere Weste zu haben; aber auch er hatte eine Affäre mit Carla.
Im Hintergrund, das wird etwa zur Hälfte des Films deutlich, geht es um internationalen Waffenhandel, doch das ist letztlich nur Mittel zum Zweck. Entscheidender ist das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen den vier einander belauernden Hauptfiguren, die bloß auf einen Fehler der anderen warten. Weil es der Film tunlichst vermeidet, sich auf eine Seite zu schlagen, bezieht die Geschichte ihren Unerhaltungswert aus der Ungewissheit, worauf das alles hinausläuft und wer hier mit wem unter einer Decke steckt.
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Ein früheres Werk des Regisseurs Matti Geschonneck, "Der Verdacht", war ähnlich konstruiert, aber bei "Tod in Istanbul" ist das Kalkül wesentlich besser aufgegangen, was nicht zuletzt am Drehbuch liegen dürfte. Es stammt von Hannah Hollinger, die seit vielen Jahren mit Geschonneck zusammenarbeitet. Die Seelenverwandtschaft von Autorin und Regisseur hat schon zu diversen bemerkenswerten Werken geführt (unter anderem "Entführt" und "Hinter blinden Fenstern"). Gerade die mosaikhafte Konstruktion und der Mut, dass jede Antwort weitere Fragen aufwirft, machen den großen Reiz des Films aus. Und natürlich die vier Hauptdarsteller, ausnahmslos und sehr clever mit Sympathieträgern besetzt. "Wir wollten einen besonderen Film über das Spiel des Bösen machen", sagt Hollinger über "Tod in Istanbul". Und fügt hinzu, es habe ihr ungeheuren Spaß bereitet, dieses Buch zu schreiben. Das merkt man.