Die Geschichte ist einfach: An einer Tankstelle ist ein Mann mit dem eigenen Gewehr erschossen worden. Die 13jährige Vanessa hat die Tat beobachtet und den Täter erkannt, traut sich aber nicht, seine Identität preiszugeben. Also müssen sich die Münchener Ermittler Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) in großer Geduld üben, was naturgemäß leichter gesagt als getan ist.
Konfrontation der wohlversorgten Beamten mit der Welt von Hartz IV
Seinen Reiz bezieht der Film weniger aus der Tat und den Ermittlungen, sondern aus der Konfrontation der beiden wohlversorgten Beamten mit der Welt von Hartz IV. Wie immer in solchen Fällen prallen völlig unterschiedliche Lebensweisen aufeinander. Natürlich nutzt Regisseur Peter Fratzscher die Gelegenheit, um das schöne München von einer völlig anderen Seite zu zeigen. Aber entscheidender ist seine Inszenierung der Gegenwelt. Bei Projekten dieser Art besteht immer die Gefahr des Elendstourismus. Außerdem gibt es nur wenige Schauspieler, die in der Lage sind, glaubwürdig ganz normale Menschen zu verkörpern; die Filme wirken oft fast zwangsläufig künstlich. Das verhindert hier die Besetzung und die Führung der Darsteller; gerade Katja Bürkle gelingt als Vanessas Mutter bis hin zu den gelben Nikotinfingern die bemerkenswert authentisch wirkende Verkörperung einer alleinerziehenden Frau, die sich nicht mehr auf die Straße traut und in erster Linie von Magenbitter und Psychopharmaka lebt. Der Fernseher läuft den ganzen Tag, weshalb ihr Ärger über das Programm nicht ganz glaubwürdig wirkt, doch ihre Kritik ist aus Sicht der ARD selten selbstironisch: "Zum Glück zahlen wir keine Gebühren."
Entdeckung des Films aber ist Laura Baade als junge Zeugin. Ihre Leistung beeindruckt vor allem deshalb, weil sie auch im Rahmen der Rolle eine Rolle spielt, so dass ihre Darstellung die ganze Zeit etwas Doppelbödiges haben muss. Gleichzeitig verkörpert das Mädchen ein Dasein in stiller Verzweiflung, da es wegen seiner Korpulenz und seiner Armut immer wieder Ziel von Mobbing-Aktionen ist. Der von der Polizei überwachte Schulweg wird auf diese Weise zum bedrückend inszenierten Spiesrutenlauf.
Den stupenden Kontrast zu diesem Dasein bietet die Welt der vermeintlich Wohlhabenden: Gerd Zach, das Mordopfer, gehörte zur Führungsspitze eines Nahrungsmittelunternehmens und hatte im Armenviertel eine Tafel eingerichtet, wo er abgelaufene und falsch etikettierte Lebensmittel verschenkte. Selbst seine schöne und anspruchsvolle junge Frau (Angela Ascher) hat jedoch keine Ahnung, dass ihr Mann längst arbeitslos war. Ausgerechnet die Ärmsten der Armen hat er um ihre Ersparnisse betrogen, um den eigenen Lebensstandard halten zu können. Deshalb hat ein einst von Zach gefeuerter Mechaniker (August Schmölzer) gleich ein doppeltes Motiv.
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Wunderbar amüsanter Ausgleich zur Hartz-IV-Tristesse sind die beiläufig eingestreuten kleinen Gemeinheiten zwischen den Kommissaren. Munition für ihre Verbalscharmützel bietet ein Dialektquiz im Radio, bei dem sich ausgerechnet der eingewanderte Kroate Batic als verblüffender Kenner der bayerischen Mudart entpuppt. Die Kombination dieser vielen Gegensätze ist Fratzscher und dem Autor Peter Probst großartig gelungen. "Jagdzeit" ist der letzte "Tatort" der im Dezember verstorbenen und als Mutter von Leitmayr und Batic geltenden BR-Redakteurin Silvia Koller, die für eine Vielzahl preisgekrönter Krimis verantwortlich war.