Um Todesfälle zu vermeiden, hat die Polizei das Camp der hungerstreikenden Flüchtlinge in München am frühen Sonntagmorgen geräumt. Die Asylbewerber seien in akuter Lebensgefahr gewesen, weil sie seit Tagen nichts mehr gesessen und getrunken hätten, begründeten Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) das Vorgehen. Der Einsatz mit rund 350 Polizisten dauerte eineinhalb Stunden. Die Flüchtlinge wurden nach ihrer medizinischen Versorgung in städtischen Notunterkünfte und Wohnungen untergebracht.
###mehr-artikel###In dem Zeltlager am Rindermarkt hatten vor allem Flüchtlinge aus dem Iran, Afghanistan, Äthiopien, Syrien und Sierra Leone seit über einer Woche ausgeharrt. Sie waren zunächst in einen Hungerstreik getreten, seit Dienstag hatten sie auch nichts mehr getrunken. Mit ihrem Protest wollten sie die Anerkennung ihrer Asylanträge erzwingen. Vermittlungsbemühungen zwischen Flüchtlingen und Behörden waren am Samstagabend gescheitert.
Nach der Räumung wurden alle 44 Flüchtlingen nach Polizeiangaben zunächst ins Krankenhaus gebracht und medizinisch versorgt. Ein Mensch habe nach einem Herzstillstand wiederbelebt werden müssen, mehrere seien bereits im Koma gewesen, hieß es. Inzwischen bestehe keine Lebensgefahr mehr für sie. "Wir hatten größte Sorge um ihr Leben", sagte Ude vor Journalisten. Auch Herrmann betonte: "Es ging darum, ihr Leben zu schützen."
"Nicht leicht gefallen"
Dem Sprecher der Flüchtlinge warfen beide vor, er habe die Behandlung durch Ärzte nicht zugelassen. Er habe den Tod von Flüchtlingen bewusst in Kauf nehmen und dann die Politik dafür verantwortlich machen wollen. Die Entscheidung, das Camp mit Hilfe der Polizei aufzulösen, sei allen Beteiligten nicht leicht gefallen, sagte Ude. Die Asyldebatte sei damit aber keineswegs mit Polizeigewalt beendet worden. Innenminister Herrmann stellte allerdings klar, dass die Anerkennung von Asylanträgen nicht mit Streikmaßnahmen durchgesetzt oder auf dem Straßenpflaster verhandelt werden könne. Der Rechtsstaat lasse sich nicht erpressen.
Mit Blick auf mögliche weitere Flüchtlingsproteste sagte der Minister, dass "normale" Demonstrationen selbstverständlich respektiert werden würden. "Da gibt es klare Regeln." Ob die Behörden einem neuerlichen Hungerstreik noch einmal solange zusehen würden, könne er nicht sogleich beantworten. Einer der Asylbewerber sagte dem epd am Sonntag, die Räumung ein "Gewaltakt" gewesen. Die Flüchtlinge wollten ihre Proteste fortsetzen, die Entscheidung über die Art und Weise sei aber noch offen.
Vermittlungsversuche zuvor gescheitert
Herrmann und Ude warfen dem Sprecher der Flüchtlinge ferner vor, er habe gar nicht verhandeln wollen, sondern immer nur die sofortige Anerkennung aller campierenden Asylbewerber als politisch Verfolgte nach Artikel 16a des Grundgesetzes als einzige und maximale Forderung gestellt. Vor der Räumung des Flüchtlingscamps waren am Samstagabend Verhandlungen zwischen den Flüchtlingen und dem früheren SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel sowie Alois Glück (CSU), dem Präsidenten des Zentralrates der deutschen Katholiken, gescheitert.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg hatte nach Mitteilung seines Präsidenten Manfred Schmidt angeboten, die Einzelfälle der Asylbewerber binnen zweier Wochen zu prüfen. Obwohl dieses Angebot vom Flüchtlingssprecher abgelehnt worden sei, sollen die Verfahren in dieser Zeit erfolgen. Wie Schmidt erläuterte, sei die Gewährung von politischen Asyl nach dem Grundgesetz an enge rechtliche Voraussetzungen geknüpft.
Bischof: Nicht zur Tagesordnung übergehen
Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm mahnte eine menschenwürdige Unterbringung und ein faires Asylverfahren an. Er warnte in einer Predigt im mittelfränkischen Rummelsberg davor, nach der Räumung des Flüchtlingscamps wieder "zur Tagesordnung überzugehen". "Die Verzweiflung von Menschen, für die die Umstände so unerträglich sind, dass sie ihr Leben riskieren, kann uns nicht unberührt lassen", sagte Bedford-Strohm. Auch die Kirchen würden mithelfen, Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende zu finden. Ein "christliches Land, das diesen Namen verdient" müsse alles tun, um bedrängten Menschen Zuflucht zu geben.