Fürsorgliche Männer gesucht

Foto: epd-bild/Alexander Stein/JOKER
Immer mehr Männer nehmen Vätermonate in Anspruch - aber noch immer bleibt die Auszeit deutlich kürzer als bei den Frauen.
Fürsorgliche Männer gesucht
Immer noch einseitige Belastung der Frauen bei Kinderbetreuung und Pflege
Die Hauptlast der Betreuung alter oder kranker Menschen tragen nach wie vor die Frauen - als professionelle Fachkräfte oder privat in der Familie. Mit Blick auf die Zukunft der Pflege ist diese alleinige Belastung des weiblichen Geschlechtes bedenklich. Deshalb suchen Experten und Politiker nach Ideen, wie Sorge- und Erwerbsarbeit anders organisiert und anders verteilt werden kann - zwischen Frauen und Männern, zwischen Individuum und Solidargemeinschaft. In der Kinderbetreuung gelingt das zumindest in Ansätzen.
30.06.2013
epd
Verena Mörath

Barbara Stiegler, Gender-Expertin und ehemalige Mitarbeiterin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, fordert ein neues Rollenverständnis der Geschlechter. Denn: 73 Prozent der privat pflegenden Angehörigen sind weiblich. Und sie sind größtenteils dreifach belastet: Sie sind im Beruf, haben Kinder und betreuen Angehörige.

###mehr-artikel### In der professionellen, bezahlten Pflege sind nach Stieglers Angaben im ambulanten Bereich 88 Prozent und in der stationären Pflege 85 Prozent der Fachkräfte Frauen. Die meisten von ihnen haben eine Teilzeitstelle.

Anders als in der Pflege haben Elterngeld und Elternzeit zumindest punktuell die traditionelle Rollenverteilung in der Kinderbetreuung aufgebrochen. Immer mehr Männer nehmen die Vätermonate in Anspruch. "2008 waren es nur 17 Prozent, 2011 schon 25 Prozent", sagt Lena Hipp von der Arbeitsgruppe "Arbeit und Fürsorge" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: "Aber Männer nutzen überwiegend nur zwei Monate, Frauen größtenteils zwölf Monate." Väter befürchteten berufliche Nachteile, wenn sie sich länger aus der Erwerbstätigkeit zurückziehen, erläutert die Wissenschaftlerin.

Positivere Einstellung zu Fürsorgemännern entwickeln

Umgekehrt müssten sich Frauen noch immer rechtfertigen, wenn sie ihre Kinder früh in eine Fremdbetreuung geben: "Die Gesellschaft muss eine positivere Einstellung zu Fürsorgemännern entwickeln. Das Alphatier ist heute noch das Ideal, nicht der gute Vater oder der engagierte Sohn."

###mehr-links### "Dabei wollen immer mehr Männer eine aktive Vaterschaft übernehmen", sagt Stefan Reuyß vom Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer (Berlin). Doch von "einer gleichwertigen Verteilung der Fürsorgearbeit in der Kindererziehung und der Altenpflege sind wir weit entfernt". Es gebe zu viele strukturelle Nachteile, die eine faire Verteilung der Fürsorgearbeit verhinderten, meint der Fachmann.

"Es sind de facto mehr Männer an der Fürsorgearbeit beteiligt, als es die Statistiken vermuten lassen. Denn die erfassen die Hauptpflegeperson - das sind wirklich überwiegend Frauen", betont Reuyß. Aber die private Pflege zu Hause werde selten allein von den Frauen bewältigt, sondern dies geschehe mit Hilfe von Verwandten, Bekannten und Nachbarn. Hier seien Männer auch eingebunden. "Tendenz steigend", sagt Reuyß und verweist auf eine Umfrage seines Instituts.

Mehr Modelle für die Vereinbarkeit von Beruf und Fürsorgearbeit

"Der Arbeitsmarkt diskriminiert alle, die Sorgeverantwortung tragen", sagt Christiane Schildmann, Referentin für Familien- und Gleichstellungspolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es müssten deshalb mehr Modelle für die Vereinbarkeit von Beruf und Fürsorgearbeit entwickelt und umgesetzt werden.

"Wir müssen uns von einer fürsorgefreien Erwerbsarbeit verabschieden", fordert auch Reuyß. Der allzeit verfügbare Vollzeitbeschäftigte sei ein Auslaufmodell. "Aufgrund der demografischen Entwicklung wird jeder von uns im Laufe seines Lebens Care-Arbeit übernehmen müssen."

Lena Hipp vom Berliner Wissenschaftszentrum sieht eine Option in der "Neuen Vollzeit" mit einer 32-Stundenwoche. Dann arbeiten Männer weniger und Frauen mehr, um eine gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit zwischen den Geschlechtern zu fördern.