Die Zahlen lesen sich nach wie vor dramatisch: Bei 56,4 Prozent liege die Jugendarbeitslosigkeit derzeit in Spanien, berichtet das EU-Statistikamt Eurostat. 42,5 Prozent seien es in Portugal. 40,5 Prozent betrage die Quote in Italien, sogar 59,2 Prozent in Griechenland. Die Daten beziehen sich auf 15- bis 24-Jährige und stammen überwiegend von April.
###mehr-artikel###Der EU-Sommergipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel hatte sich daher den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit auf die Fahnen geschrieben. Die 27 Staats- und Regierungschefs haben ein Sonderprogramm beschlossen, das sechs Milliarden Euro für 2014 und 2015 umfasst. Es sollen mehr attraktive Ausbildungsplätze entstehen, etwa mittels Dualer Systeme, wie Deutschland und andere Länder sie schon haben. Einstellungswillige Unternehmen sollen künftig leichter und schneller an Kredite kommen.
Jugendliche sollen Hilfe bei der Jobsuche im Ausland erhalten - denn europaweit sind Millionen Arbeits- und Ausbildungsplätze frei. Die Initiativen hören sich gut an, auch wenn die meisten davon keine wirklich neuen Ideen sind. Trotzdem bringen viele Sozialverbände und Experten Zweifel vor. Einige wittern Lippenbekenntnisse, die nicht in die Tat umgesetzt werden, andere sehen sogar sozialpolitische Irrwege.
"Warum sollte man nicht allen Arbeitslosen helfen?"
Eine der radikalsten Positionen hat Daniel Gros, Direktor der einflussreichen Brüsseler Denkfabrik "Center for European Policy Studies" (CEPS). Gros verweist darauf, dass die kursierenden Statistiken grotesk verzerrt seien. "Eine Arbeitslosenquote von 50 Prozent bedeutet nicht, dass jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist", erläutert er. Denn tatsächlich geht es hier nur um junge Menschen, die Arbeit suchen oder haben. Schüler und Studenten etwa werden nicht mit eingerechnet.
###mehr-links### Selbst unter den älteren Jugendlichen sei der Arbeitslosenanteil allenfalls halb so groß, wie die Zahlen in den Schlagzeilen suggerierten, sagt Gros. Er rügt die Katastrophenstimmung und den "Modehype" der Politik. Es brauche keine speziellen Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit: "Warum sollte man nicht allen Arbeitslosen helfen?" Alleinerziehende Mütter oder ältere Familien-Ernährer bräuchten wohl mindestens ebenso dringend Unterstützung, meint der Wirtschaftswissenschaftler.
Etwas moderater ist die Meinung von Heather Roy, der Präsidentin der Brüsseler "Sozialplattform". Die Plattform versammelt mehrere tausend soziale Organisationen in Europa. "Dass die EU die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen will, ist begrüßenswert", meint sie in einem Gespräch mit dem epd. Sehr viele junge Menschen seien in einer verzweifelten Lage. Doch auch Roy hat Zweifel an der Ausgestaltung der Initiative: "Mit Sechsmonats-Praktika ist den jungen Menschen nicht geholfen."
"Was nützt einem Jugendlichen ein Praktikum, wenn er keine erschwingliche Wohnung findet?"
Auch Roy fordert, die Jugendinitiative in andere soziale Projekte einzubetten, die wiederum allen Bürgern zugute kommen. "Was nützt einem Jugendlichen ein Praktikum, wenn er keine erschwingliche Wohnung findet? Wenn er sich keinen Arztbesuch leisten kann?" Die Sozialplattform hatte an die Regierungschefs ein Positionspapier geschickt, in dem das Wort Jugendarbeitslosigkeit nicht einmal vorkam. Der Dachverband ist unter anderem entsetzt darüber, dass Sozial-, Gesundheits- und Bildungsausgaben in den EU-Ländern drastisch zusammengestrichen wurden.
Auch diejenigen, um die es in der Debatte geht, schauen mit einer Mischung aus Hoffnung und Skepsis auf die nächsten Monate. Zwar sei der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ausgesprochen wichtig, meint der Dachverband "Europäisches Jugendforum", der 99 Organisationen vertritt. Es bestehe aber die Gefahr, dass echte Investitionen ausblieben und die einzelnen Regierungen aus den EU-Ideen keine tragfähigen Konzepte machten. Ohne durchdachte Strategie könnten fragwürdige Ergebnisse herauskommen: "Die Regierungen dürfen nicht mit jungen Menschen herumexperimentieren."