Die Lage hat sich verbessert, ist aber alles andere als zufriedenstellend – so der Tenor des 13. Berliner Symposions für Flüchtlingsschutz in Deutschland. Dabei trafen sich am Montag und Dienstag im Französischen Dom am Gendarmenmarkt rund 360 Vertreter aus Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, um über Erfolge und Herausforderungen der deutschen Asylpolitik zu debattieren. Im Mittelpunkt stand die Wahrung der Menschenwürde von Flüchtlingen bei der Einreise in die EU, bei der Unterbringung in sogenannten Auffanglagern während des Asylverfahrens, der "Rückführung" in Drittstaaten oder aber beim längerfristigen Aufenthalt im Zielland.
###mehr-artikel###Einen wichtigen Impuls in der Asylpolitik habe das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr gegeben, sagte der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung. Die Richter hatten festgestellt, dass die in Artikel 1 des Grundgesetzes garantierte Menschenwürde nicht zu relativieren ist, auch nicht aus migrationspolitischen Gründen. Durch die Absenkung der Leistungen weit unter die Sozialhilfe vor rund 20 Jahren habe man den Zuzug nach Deutschland reduzieren, die Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern beschleunigen und die Aktivität von Schlepperbanden eindämmen wollen, so Jung. Dabei habe man übersehen, dass Asylbewerber anderen bedürftigen Personen sozial und materiell gleichzustellen seien.
Auch wenn die materielle Versorgung von Asylbewerbern inzwischen wieder angehoben worden sei, seien sie weiter von drastischer Benachteiligung betroffen, erläuterte der Kirchenpräsident: nicht nur was die Gesundheitsversorgung angehe, sondern auch das im Asylbewerbergesetz verankerte Prinzip der Sachleistung. Gegessen werde nicht, was auf den Tisch kommt, sondern was das Amt in Form von Essenspaketen austeilt. Die dauerhafte Unterbringung in Sammelunterkünften, so Jung, mache zudem "physisch und psychisch krank".
Überraschend deutlich
Der Geistliche wiederholte die Kritik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an der Residenzpflicht, die den Flüchtlingen Besuche von Verwandten in anderen Bundesländern untersagen kann. In überraschender Deutlichkeit forderte Jung die grundsätzliche Abschaffung des Leistungsgesetzes, der Sachleistungen und der Residenzpflicht sowie eine Stärkung der sozialen Rechte von Statuslosen und den Ausbau des Resettlement-Programms, mit dem die Bundesregierung bisher 300 Flüchtlingen im Jahr eine geordnete und materiell gesicherte Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht.
Soziale Teilhabe, Anschluss auf dem Arbeitsmarkt, gesellschaftliche Integration, Gesundheitsversorgung und insbesondere das Kindeswohl seien die wichtigsten Themen, der sich die im September zu wählende Bundesregierung annehmen müsse, betonte seinerseits Diakoniepräsident Johannes Stockmeier. Es sei absurd, dass den Personen, denen gerne vorgeworfen werde, sie seien allein wegen des Bezugs von Sozialleistungen angereist, die Arbeitserlaubnis versagt werden könne.
Stockmeier forderte von der neuen Bundesregierung unter anderem Sprach- und Orientierungskurse für asylsuchende und geduldete Personen, eine menschenwürdige Unterbringung sowie einen umfassenden Zugang der Flüchtlinge zum Gesundheits- und Sozialsystem in Deutschland. Zum aktuellen Konflikt in Syrien und der Ankündigungen des Bundesinnenministers, zusätzlich zu den bereits etwa 8.000 Asylbewerbern aus Syrien in den vergangenen 14 Monaten 5.000 weitere Flüchtlinge aufzunehmen, stellte Stockmeier fest: "Das ist ein richtiger Schritt, aber bei weitem nicht genug!"
Türkischer Aktivist, griechische Anwältin
Inwiefern der derzeitige Flüchtlingsstrom aus Syrien die Schwächen der europäischen Asylpolitik verdeutlicht, legten der türkische Aktivist Oktay Durukan und die griechische Anwältin für Asylfragen, Marianna Tzeferakou dar. Zwar habe die Türkei im Rahmen der Beitrittsverhandlungen sieben Auffanglager für syrische Flüchtlinge geschaffen, die formell auch den EU-Vorgaben entsprächen, so Durukan. Doch nutze die Türkei, wie auch einige EU-Staaten, den äußerst breiten Interpretationsspielraum der geltenden europäischen Asylrichtlinien oft zum Nachteil der Flüchtlinge aus. Durukan kritisierte unter anderem, dass ein Asylbewerber in einem türkischen Auffanglager gegen den Abschiebebescheid nur innerhalb der ihm laut EU-Verordnung zustehenden 15 Tage Widerspruch einlegen kann.
Tzeferakou wies zudem auf die prekären Lebensumstände der rund 500.000 syrischen Flüchtlinge hin, die über die türkisch-griechische Grenze in die EU eingereist seien. Durch das drastische Vorgehen der europäischen Grenzschutztruppen "Frontex" seien allein in diesem Jahr sieben Flüchtlinge vor der griechischen Küste ertrunken. Viele von denen, die es bis auf griechischen Boden schafften, seien zunächst in Gewahrsam genommen worden und hätten dort unter erbärmlichsten Bedingungen und ohne rechtliches Gehör teilweise über ein Jahr verbracht. Aber auch die etwa 300.000 Syrer, die sich nunmehr mit regulärem Aufenthaltsstatus in Griechenland aufhielten, lebten in ärmsten Bedingungen und würden unter "institutionellem Rassismus und Anfeindungen und Angriffen der griechischen Bevölkerung" leiden, so Tzeferakou.
###autor###Angesichts der 8.000 Syrer, die täglich vor den Bürgerkriegswirren in ihrem Land fliehen, stellte der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, zur Ankündigung von Bundesinnenminister Friedrich fest: "5.000, das ist nicht genug!" Polenz erinnerte daran, dass allein Jordanien und Libanon bereits je rund 500.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen hätten. Zwar sei Deutschland mit 170 Millionen Euro an Hilfsgeldern für die Kriegsopferhilfe vor Ort nach den USA der zweitwichtigste Geldgeber.
"Flüchtlingslager sind Brutstätten für Extremismus"
Dennoch sei es mit der Flüchtlingsaufnahme im Vergleich zu 300.000 Asylbewerbern aus Ex-Jugoslawien vor rund 20 Jahren und immerhin 600.000 derzeit in Deutschland lebenden Flüchtlingen im Fall Syrien immer noch zurückhaltend, so Polenz. "Flüchtlingslager sind immer auch Brutstätten für politischen Extremismus. Der Krieg muss beendet werden", forderte der CDU-Politiker und erinnerte damit zugleich an das Grundübel, das Menschen aus ihrer Heimat vertreibt und zum Spielball von Schlepperbanden, einer oft restriktiven Gesetzespraxis und demütigender sozialer Ausgrenzung macht.