"Mama, ich ess kein Fleisch mehr!"

Vegetarierin Mira Rudmann
Foto: epd-bild/Jörn Neumann
Mira Rudmann (10) mit einem Teller Obst in der Küche ihrer Eltern in Köln. Sie war gerade acht Jahre alt, als sie beschloss, kein Fleisch mehr zu essen.
"Mama, ich ess kein Fleisch mehr!"
Keine Wurst aufs Pausenbrot, kein Hamburger beim Schulfest: Fleischlos essen liegt unter Jugendlichen im Trend, besonders Mädchen ernähren sich gern vegetarisch. Eltern sind oft ratlos: Bekommt mein Kind genug Vitamine?
14.07.2013
epd
Barbara Driessen

Mira Rudmann war gerade acht Jahre alt, als sie beschloss, kein Fleisch mehr zu essen. "Ihre Freundin war Vegetarierin, und irgendwann fing sie an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen", erzählt ihre Mutter Jessica. Der kleinen Kölnerin taten die Tiere leid, an der Massentierhaltung wollte sie nicht mit schuld sein. So teilte sie ihren Eltern mit, dass sie fest entschlossen sei, fortan keinen Bissen Fleisch mehr zu sich zu nehmen. "Am nächsten Morgen gab es dann noch ein ganz kurzes Zögern, als ihr klar wurde, dass sie nun auch kein Salamibrot mehr essen konnte, aber dann hat sie es durchgezogen", sagt ihre Mutter.

Mira ist keineswegs eine Ausnahme: Immer mehr Kinder und Jugendliche entscheiden sich dazu, auf Fleisch zu verzichten. "Etwa 15 Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Jungen sind Vegetarier", sagt Sebastian Zösch, stellvertretender Vorsitzender des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu). Von der Gesamtbevölkerung ernähren sich nach seinen Angaben acht bis neun Prozent vegetarisch.

"Das macht das Kochen natürlich komplizierter"

"Jugendliche sind noch deutlich flexibler als Erwachsener", sagt Zösch. Bei den Mädchen komme hinzu, dass sie sich Tieren näher fühlten als Jungen und Fleisch deswegen oft "eklig" fänden. Bei den Erwachsenen machen Frauen 70 Prozent der Vegetarier aus. "Der typische Vegetarier ist weiblich, jung, gebildet und lebt in der Großstadt."

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In einer nicht vegetarischen Familie löst die Entscheidung des Kindes, kein Fleisch mehr zu essen, oft erst einmal Bedenken aus: "Ich finde die Beweggründe völlig nachvollziehbar", meint Miras Mutter, "aber das macht das Kochen natürlich komplizierter. Und man fragt sich sofort, ob das Kind auch alle Nährstoffe und Vitamine bekommt, die es braucht."

Markus Keller, Leiter des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung in Gießen, möchte da erst einmal beruhigen: Grundsätzlich sei nichts gegen eine vegetarische Ernährung bei Jugendlichen einzuwenden. "Studien zeigen, dass vegetarisch ernährte Kinder im Durchschnitt die Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde Ernährung deutlich besser umsetzen als Kinder, die Mischkost verzehren." Er rät Eltern, den Wunsch des Kindes ernst zu nehmen: "Das ist eine gute Gelegenheit, die vegetarische Küche selbst einmal auszuprobieren."

Geht es in Wahrheit ums Abnehmen?

Der Direktor der Kinderklinik am Kölner Uniklinikum, Jörg Dötsch, gibt hingegen zu bedenken, dass eine vegetarische Ernährung in der Wachstumsphase deutlich kritischer einzustufen sei als bei Erwachsenen: "Gerade bei Vitamin B12 und bei Eisen kann es schnell zu Mangelerscheinungen kommen." Vitamin B12 komme vor allem in Fleisch vor und sei essenziell bei der Entwicklung des Nervensystems. Die Versorgung mit Eisen sei bei jungen Mädchen aufgrund ihrer Periode oft ohnehin schon ein Problem. "Typische Symptome für Mangelerscheinungen sind etwa Blässe, offene Hautstellen, Müdigkeit und Leistungsabbau."

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Er rät darum dazu, die vegetarische Ernährung vom Kinderarzt begleiten zu lassen: "Jedes halbe Jahr sollte ein Blutbild erstellt werden, bei dem der Eisen- und der B12-Wert kontrolliert wird. Und auch eine Gewichtskontrolle sollte stattfinden."

Denn es gebe eine Häufung von Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie unter jugendlichen Vegetarierinnen. Einer Studie zufolge, die in der Fachzeitschrift  "Journal of the American Dietetic Association" veröffentlicht wurde, zeigen 25 Prozent der jungen Vegetarier ungesunde Verhaltensweisen wie übertriebene Diäten oder erzwungenes Erbrechen, um ihr Körpergewicht zu kontrollieren. Der Zusammenhang ist allerdings noch ungeklärt. Wissenschaftler vermuten, dass Teenager die fleischlose Ernährung zwar als gesunde Option wahrnehmen, es ihnen tatsächlich aber oft eher darum geht, ihr Gewicht besser zu kontrollieren.

Kompromiss: "Nur von ganz, ganz glücklichen Kühen"

Kinderarzt Dötsch rät deshalb dazu, sich mit dem Kind genau über die Beweggründe für die fleischlose Ernährung auseinanderzusetzen. "Wenn es dem Kind tatsächlich um ein ethisches Problem in Bezug auf Tiere geht, dann sollte man sich mit ihm zusammensetzen und ihm klarmachen: Ich unterstütze dich, aber wir müssen es gemeinsam schaffen, dass du dich so ernährst, dass du dabei nicht krank wirst."

Es sollten genug Vollkornprodukte auf dem Speiseplan stehen, wenn man auf den Eisenlieferanten Fleisch verzichten will. Wichtig ist nach Angaben des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund auch die Kombination von Lebensmitteln: Pflanzliches Eisen aus Getreide kann der Körper am besten mit Vitamin C verwerten, Milchprodukte hemmen die Aufnahme.

Jessica Rudmann ist mit Mira zu einem Kompromiss gekommen: "Ich habe sie davon überzeugt, einmal in der Woche ein Stück rotes Fleisch zu essen. Und dafür garantiere ich ihr, nur 100-prozentiges Biofleisch von ganz, ganz glücklichen Kühen zu kaufen."