TV-Tipp des Tages: "Tatort: Letzte Tage" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Letzte Tage" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Letzte Tage", 23. Juni, 20.15 Uhr im Ersten
Die attraktive Mia verdreht Perlmann den Kopf. Dabei ist sie stärker in den aktuellen Fall involviert, als dem Beamten lieb sein kann: Auf der Autofähre ist ein Mann tot in seinem Wagen gefunden worden.

Im Vergleich zu den Krimis aus Hamburg oder Berlin wirken die "Tatort"-Beiträge aus Konstanz oft betulich und provinziell. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass sich die Geschichten nun mal tatsächlich in der Provinz zutragen. Andererseits beweist beispielsweise der NDR mit den Krimis aus Kiel regelmäßig, dass man auch abseits der Metropolen Kino fürs Fernsehen machen kann. "Letzte Tage" aber ist anders als viele der bisherigen gut zwei Dutzend Bodensee-Krimis: weil Stefan Dähnert und Elmar Fischer gezielt auf die Stärken des Ensembles wie auch des Schauplatzes setzen. Dähnert, der vor gut zehn Jahren das Drehbuch zum ersten "Tatort" aus Konstanz ("Schlaraffenland") geschrieben hat, erzählt eine Geschichte, die sich in dieser Form tatsächlich nur hier abspielen kann; und Fischer, der 2007 die ersten beiden Fälle des Stuttgarter "Tatort"-Duos Lannert und Bootz inszeniert hat, hält sich bei seiner Umsetzung zwar an das offenbar obligate Tempolimit, sorgt aber für eine intensive Dynamik hinter den Bildern.

Fragiles kleines Glück

Vor allem jedoch wartet der Bodensee-Krimi wie schon zuletzt ("Die schöne Mona ist tot") mit einer guten Besetzung auf. Der Schweizer Roland Koch als provokanter "Gaststar" von der Thurgauer Kantonspolizei lockt das eingespielte Konstanzer Duo (Eva Mattes, Sebastian Bezzel) kräftig aus der Reserve, und Oliver Wnuk darf nicht nur in seiner Heimatstadt, sondern auch im heimischen Dialekt agieren. Handlung und Inszenierung rücken zudem die Darsteller deutlich in den Vordergrund. Das gilt nicht zuletzt für den zu oft unterbeschäftigten Sebastian Bezzel: Hauptkommissar Kai Perlmann muss hilflos mit ansehen, wie sein fragiles kleines Glück zerbricht. Eine Schlüsselfigur spielt dabei die bislang vor allem in Seriengastrollen besetzte Natalia Rudziewicz: Die attraktive Mia verdreht Perlmann den Kopf. Dabei ist sie stärker in den aktuellen Fall involviert, als dem Beamten lieb sein kann: Auf der Autofähre ist ein Mann tot in seinem Wagen gefunden worden. Die Leiche ist noch warm, als sich bereits binationale Kompetenzstreitigkeiten ergeben: Da die Fähre aus der Schweiz kam, reklamiert der Schweizer Kollege Lüthi (Koch) den Fall für sich. Es stellt sich raus, dass der unheilbar kranke Mann in die Erpressung eines schweizerischen Pharmakonzerns verwickelt war. Prompt fürchtet Klara Blum, dass Lüthi die Sache unter den Teppich kehren will: Die Zukunft des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens hängt vom Erfolg eines neuen Krebsmittels ab, an dessen Wirksamkeit es offenbar profunde Zweifel gibt.

Geschickt verteilt das Drehbuch die emotionale Spannung auf mehrere Ebenen: hier der Dauerzwist zwischen Blum und Lüthi, dort Perlmanns umgehende Verzauberung, als Medizinstudentin Mia sein Interesse für die Initiative Krebshilfe Bodensee weckt. Deren Leiter (Wnuk) sucht verzweifelt nach einem Stammzellenspender für seinen leukämiekranken Sohn. Immer wieder konterkarieren Dähnert und Fischer die Beschaulichkeit des Bodensee-Ambientes durch originelle Einfälle. Klara Blum zum Beispiel verhindert, dass Lüthi sie abschüttelt, indem sie sich mit Hilfe ihrer Handschellen buchstäblich an ihn kettet. Da die beiden ihre Animositäten ähnlich hingebungsvoll ausleben wie ein altes Ehepaar, nimmt der Film in den entsprechenden Szenen beinahe Züge einer romantischen Komödie an. Kontrapunkt ist Perlmanns leidenschaftliche Beziehung zu der von Natalia Rudziewicz mit viel melancholischer Morbidität verkörperten Mia.

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Treffend besetzt ist auch Hubertus Hartmann als Leiter einer Krebsklinik, bei dem viele Fäden zusammenlaufen. Die eigentümliche Atmosphäre des Films, zu der naturgemäß auch die Bilder vom Herbsthimmel über dem Bodensee beitragen (Kamera: Stefan Sommer), wird unterstützt durch die klagenden Klänge eines Bandoneons, die sowohl zu den heiteren wie auch zu den besinnlichen Momenten des Films passen. Ein dank seiner Vielschichtigkeit und der daraus resultierenden Rätselhaftigkeit durchaus sehenswerter Krimi vom Bodensee.