Helfer in Syrien: Auf schmalem Grat zwischen den Fronten

Foto: Bulent Kilic/AFP/Getty Images
Helfer in Syrien: Auf schmalem Grat zwischen den Fronten
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen riskieren mitunter ihr Leben, wenn sie Konvois ins Bürgerkriegsland Syrien bringen. Oft werden sie ausgeraubt oder nicht durchgelassen. Dabei auch noch neutral zu bleiben, ist ein humanitärer Balanceakt.
26.06.2013
epd
Sophie Elmenthaler

Die Hilfsorganisationen in Syrien stehen vor einem Dilemma. Natürlich sollen alle notleidenden Menschen versorgt werden. Die meisten Hilfswerke folgen dem Grundsatz strikter Neutralität, was oft eine Grundvoraussetzung für den reibungslosen Ablauf ihrer Arbeit ist. Aber in einem Bürgerkrieg neutral zu bleiben, ist fast unmöglich. Seit zwei Jahren liefern sich die syrischen Regierungstruppen unter Präsident Baschar al-Assad und die Rebellen nun schon Kämpfe, ein Ende ist nicht in Sicht.

###mehr-artikel###Mehr als ein Viertel der 20,4 Millionen Syrer ist nach UN-Angaben auf der Flucht, nur 1,6 Millionen von ihnen konnten in die Nachbarstaaten gelangen. Die meisten sind im bürgerkriegsgeplagten Syrien geblieben und dringend auf Hilfe angewiesen. Aber der Zugang zu ihnen ist angesichts sich ständig verschiebender Fronten schwierig.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR konzentriert seine Anstrengungen zurzeit auf die großen Städte und schickt von dort immer wieder Hilfskonvois ins Land - ohne Garantie, dass alles ankommt. Die Neutralität des Hilfswerks wird nicht von allen Seiten anerkannt. Weder in den Gebieten unter Regierungshoheit noch in denen in Rebellenhand ist die Sicherheit der Transporte gewährleistet.

Mindestens 29 Mitarbeiter getötet

Oft genug werden die Konvois gestoppt oder sogar ausgeraubt. Die Mitarbeiter riskieren ihre Gesundheit, mitunter ihr Leben. "Vom UNHCR sind bisher neun Mitarbeiter umgekommen", sagt Reem al-Salem vom UNHCR im Libanon. "Und ich weiß, dass der Syrische Rote Halbmond schon 20 Helfer in diesem Konflikt verloren hat."

In einem Flüchtlingscamp nahe Al-Salama an der türkisch-syrischen Grenze werden syrische Flüchtlinge mit Nahrung versorgt.

Streng genommen dürfen Hilfsgüter aus einem Nachbarland nur nach Syrien gebracht werden, wenn alle Konfliktparteien eingewilligt haben. Andernfalls müssen die Hilfsmittel direkt aus einem unbeteiligten Land eingeflogen werden. In beiden Fällen können sie nicht landesweit verteilt werden, weil es überall unpassierbare Kriegszonen gibt.

"Wir wissen, dass es Flüchtlinge im Land gibt, die regelrecht eingekesselt sind zwischen den Kampfgebieten. Wir können ihnen nicht helfen, weil unsere Mitarbeiter dann selbst in Gefahr geraten", sagt Al-Salem. Einige Gebiete wären vielleicht von der türkischen Grenze aus erreichbar. "Aber dazu müssten wir von der Türkei aus einreisen, und das geht nicht, weil wir keine Genehmigung von allen Beteiligten haben", sagt Al-Salem.

UN bat wochenlang vergeblich

Als Assads Truppen und die Rebellen Ende Mai um Kusair nahe der Grenze zum Libanon kämpften, baten die UN wochenlang vergeblich um Zugang zu den Verwundeten. Erst als die Regierungstruppen mit Hilfe der Hisbollah-Milizen am 5. Juni die Stadt erobert hatten, konnten die Organisationen den Menschen in der kleinen Stadt helfen.

Es gibt Regionen im Land, die halbwegs befriedet sind. Im Norden nahe der Türkei und den kurdischen Gebieten oder in provisorischen Zeltlagern in den großen Städten Damaskus, Homs und Aleppo haben viele Syrer unter prekären Verhältnissen Zuflucht gefunden. Martin Glasenapp von Medico International glaubt, die Hilfsorganisationen könnten in diesen Landesteilen mehr tun, um die Lokalbevölkerung zu unterstützen, unabhängig von der Gemengelage.

Die Dinge selbst in die Hand nehmen

"Die größte Hilfsform für die Menschen im Land selber ist die Zivilgesellschaft vor Ort", sagt Glasenapp, der im Mai die Region besuchte. "Es ist ja nicht so, dass die Leute nichts tun. Die versuchen nach 40 Jahren Entmündigung, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen." Deshalb stellt seine Organisation den Ärzten und Krankenpflegern Medizin und Verbandmaterial zur Verfügung, statt mit eigenen Helfern anzurücken. Die Menschen wüssten selbst am besten, was ihnen fehlt.

Flächendeckende Hilfe könnten nur ein Waffenstillstand oder humanitäre Korridore ermöglichen. Große Hoffnungen ruhen daher auf der für Juli geplanten Konferenz in Genf, bei der die Kriegsparteien unter Aufsicht der USA, Russlands und anderer Länder verhandeln sollen. Wenn es keine politische Lösung gibt, werden der Konflikt und damit das Leid der Menschen weiter andauern.