"Oswiecim" steht auf dem Bahnhofsschild. Der polnische Ort wird nur wenigen etwas sagen. Dabei steht sein deutscher Name weltweit für das wohl größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Niemand weiß genau, wie viele Männer, Frauen und Kinder die Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet haben; die Schätzungen reichen von 2,5 bis 4 Millionen. Ebenso wie das bayerische Dachau wird das Städtchen Oswiecim mit seinen rund 40.000 Einwohnern der Geschichte wohl nie entkommen. Natürlich geht es auch in Robert Thalheims Film mit dem zunächst etwas seltsam anmutenden Titel "Am Ende kommen Touristen" um das Konzentrationslager und die Bewältigung der Vergangenheit. Doch die Handlung trägt sich in der Gegenwart zu. Die Historie scheint vielen sogar eher lästig zu sein.
Der letzte Überlebende von Auschwitz
Auch Hauptfigur Sven (Alexander Fehling) hat es sich nicht ausgesucht, hier zu landen. Er wollte seinen Zivildienst in einem Jugendzentrum in Amsterdam absolvieren. Dann aber hat es ihn in die Jugendherberge in der Nähe des einstigen KZ verschlagen. Er soll sich unter anderem um Stanislaw Krzeminski (Ryszard Ronczewski) kümmern, den letzten Überlebenden, der in Auschwitz geblieben ist. Rasch stellt Sven fest, dass der Erinnerungsapparat wie geschmiert funktioniert; allein Krzeminski streut immer wieder Sand ins Getriebe. Die verschiedenen Gedenkanlässe werden routiniert abgespult; der alte Mann hält bloß den Betrieb auf. Als er im Rahmen einer Mahnmaleinweihung eine Rede hält, wird er von den deutschen Stiftern kurzerhand weg komplimentiert, weil es zu regnen beginnt. Die Szene bringt zwar Thalheims Anliegen wunderbar auf den Punkt, doch der Vorgang als solcher ist natürlich unerhört; einen derartigen Fauxpas würden sich Deutsche ausgerechnet in Auschwitz und dazu noch in aller Öffentlichkeit wohl nicht erlauben.
Andererseits geht es darum, den eher gleichgültigen Sven aufzurütteln. Seine Wandlung soll auch dem Zuschauer zu denken geben. Zunächst fühlt sich der junge Mann in Oswiecim denkbar deplatziert: Die Einheimischen versteht er nicht, die Gräueltaten sind Teil einer weit entfernten Vergangenheit, und der alte Sturkopf ist ihm genauso eine Last wie allen anderen. Bis Sven erkennt, dass Krzeminski selbst ein Mahnmal ist; und dass ihn genau dies am Leben erhält. Deshalb versorgt er den Alten auch weiterhin heimlich mit den Koffern aus dem Auschwitz-Museum, die Krzeminski nach Ansicht der Museumsleiter allerdings zu gut repariert. Ihnen würde ein "Konservieren" genügen. Dabei übersehen sie, dass der wahre Konservator der einstige KZ-Häftling ist.
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Die Idee zu seinem Film hatte Thalheim (Buch und Regie), für sein Debüt "Netto" unter anderem mit dem Deutschen Filmkunstpreis ausgezeichnet, als er wie Sven in der Begegnungsstätte in Oswiecim seinen Zivildienst leistete. In seinem zweiten Film, uraufgeführt beim Festival in Cannes, verhindert der junge Regisseur mit bedingungsloser Konsequenz, dass man sich in der Geschichte behaglich einrichtet. Svens Verlorenheit teilt sich fast körperlich mit, zumal die dokumentarisch wirkenden Handkamerabilder (Yoliswa Gärtig) beinahe mutwillig auf ästhetische Ambitionen verzichten. Einziger Lichtblick für Sven ist seine scheue Liebe zur hübschen Touristenführerin Ania (Barbara Wysocka), doch sie möchte Oswiecim so schnell wie möglich verlassen und hält ihre Gefühle daher im Zaum. Kein Wunder, dass auch Sven irgendwann nur noch weg will. Am Ende aber, als ohne große Worte auch der Titel erklärt wird, muss er verblüfft feststellen, dass Krzeminskis Botschaft bei ihm auf fruchtbareren Boden gefallen ist, als er geahnt hätte.