Den Ausstieg nicht mehr ausschließen

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Den Ausstieg nicht mehr ausschließen
Experten fordern tabulose Debatte über den Euro
Die Partei "Alternative für Deutschland" wird für ihre Forderung nach dem Ende der Währungsunion scharf kritisiert. Aber immer mehr Politiker und Ökonomen fordern eine offenere Debatte über die Zukunft des Euro: Seine Auflösung dürfe kein Tabu sein.
18.06.2013
epd
Miriam Bunjes

"Europa geht anders": Diesen Satz haben mehr als 7.600 linke Politiker und Experten aus dem EU-Raum unterschrieben. Ihre Online-Petition unter www.europa-geht-anders.eu richtet sich gegen die Politik des EU-Rates, die alle Euro-Länder zu Strukturreformen und zum Sparen verpflichtet. Die Unterzeichner - unter ihnen auch SPD-Linke - sehen darin einen "Pakt für Lohndumping, Sozialabbau und Privatisierung". Sie fordern eine Kehrtwende hin zu "einer europäischen Umverteilung des Reichtums durch faire Einkommens- und höhere Gewinn- und Vermögensbesteuerung".

Notwendig sei eine offene Debatte über Alternativen zum Sparkurs der EU, der vor allem von Deutschland durchgesetzt werde. Dieser Kurs ist für Wirtschaftsexperten wie den ehemaligen Chefökonomen der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung, Heiner Flassbeck, die Hauptgefahr für den Zusammenhalt des Euros. "Südeuropa kann sich wirtschaftlich nicht erholen", sagt er. In der Folge seien eine wirtschaftliche Depression und steigende Arbeitslosigkeit unausweichlich.

"Alternativen werden hierzulande gar nicht erwogen."

"Wenn demokratische Regierungen den Menschen keine Zukunft mehr bieten können, erhalten die extremen Ränder Zulauf", warnt Flassbeck. Schon jetzt seien etwa in Griechenland zwei Drittel der Jugendlichen arbeitslos. "Die Binnennachfrage bricht zusammen, und die ist viel wichtiger als der Export", sagt der Ökonom. Mit jedem Tag, an dem an den bisherigen Rettungsstrategien festgehalten werde, verschwänden die Chancen für eine erfolgreiche Wende - für den ganzen europäischen Wirtschaftsraum.

###mehr-artikel### "Alternativen werden hierzulande gar nicht erwogen." Vor allem nicht die Möglichkeit eines Ausstiegs einzelner Staaten aus dem Euro. In einer Studie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung spielt Flassbeck Szenarien dafür durch. "Die Auflösung des Euros darf kein Tabu sein", sagt der Ökonom. Steigen einzelne Länder geordnet aus dem Euro aus, könnten sie ihre neue Währung abwerten, dadurch wettbewerbsfähig werden und die Krise überwinden.

Die Gefahr ist aber, dass ihre Währung ins Bodenlose fällt. "Die Defizitländer brauchen eine Abwertung von 25 bis höchstens 40 Prozent", sagt Flassbeck. "Sonst wird der EU-Handel zu stark geschädigt, und die Realeinkommen in den Ländern sinken übermäßig." Auch seien strenge Kapitalverkehrskontrollen nötig, um eine Kapitalflucht zu verhindern.

Umkehr nicht in Sicht

Deutschland träfe der Euro-Ausstieg anderer Länder hart, räumt Flassbeck ein. Denn dann würde der Exportsektor schrumpfen - und dies könnte nur mit einer völlig anderen Wirtschaftspolitik durch eine steigende Binnennachfrage aufgefangen werden. Wäre Deutschland heute zu einer radikalen Wende in der Wirtschaftspolitik bereit, verbunden mit stärkeren Lohnsteigerungen, wären Euro-Ausstiege ohnehin vermeidbar. Doch eine solche Politik, sagt Flassbeck, "ist leider unwahrscheinlich."

###mehr-links### Auch für Joachim Jahnke ist diese Umkehr nicht in Sicht - auch wenn sie nach seiner Überzeugung der beste Weg aus der EU-Krise sei. "Deutschland hat viel zu niedrige Löhne", sagt der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. "Dadurch sind innerhalb der EU riesige Wettbewerbslücken entstanden, weil Länder mit höheren Sozialstandards nicht mithalten können." Mit dem Euro sei "Merkels falsche Politik nach Europa transportiert" worden. Stiegen hier die Löhne, könnten andere EU-Staaten nach Deutschland exportieren, ihren Außenhandel verbessern und den deutschen Vorsprung im europäischen Wettbewerb verkleinern.

"Über 50 Prozent Export-Anteil im deutschen Bruttoinlandsprodukt ist eine absurde Wirtschaftsstruktur", sagt Jahnke. Entstanden sei sie durch Sozialdumping. "Werden die deutschen Löhne erhöht, schrumpft der Export, aber die Leute können sich wieder mehr leisten." Jahnke beklagt, dass derzeit Alternativen "nicht einmal sauber analysiert und debattiert" würden. Sich stattdessen einseitig auf die Staatsschulden als Krisenursache zu fokussieren, verschlechtere die Lebensbedingungen in Europa massiv. Jahnkes Schluss: "Aus heutiger Sicht war der Euro ein Fehler."