"Spitzfuß": klingt eigentlich harmlos, ist im Alltag aber eine weitaus größere Behinderung als etwa ein Plattfuß, denn die Fehlstellung führt dazu, dass die Ferse quasi in der Luft steht; sie kann nicht aufgesetzt werden. Elisabeth, von ihren Freunden Liz genannt, ist 17 und mit dem Spitzfuß auf die Welt gekommen; theoretisch hatte sie also genug Zeit, um sich an die Behinderung zu gewöhnen. Diverse Operationsnarben, die das betroffene Bein grotesk verunstalten und Liz’ Leiden sogar noch verschlimmert haben, geben allerdings beredtes Zeugnis davon, dass irgendjemand den Geburtsfehler nicht auf sich beruhen lassen wollte. Die vermeintlich gute Täterin war Mutter Susanne. Obwohl Titelheldin Liz im Vordergrund steht, ist Susanne als treibende Kraft die eigentliche Hauptfigur des Films. Gleich zwei Motive lassen ihr keine Ruhe: Weil sie während der Schwangerschaft allzu kräftig dem Alkohol zugesprochen hat, gibt sie sich die Schuld an Liz’ Behinderung. Außerdem ist sie Perfektionistin.
Vom schlechten Gewissen geplagt
Anica Dobras Verkörperung dieser von ihrem schlechten Gewissen geplagten Frau fügt sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Hightech-Haus, allzu großzügiges Make-up, teure Kleidung, viel Schmuck, dazu ein deutlich jüngerer Geliebter: Susanne, als erfolgreiche Verwalterin von Immobilien zu Ansehen und Wohlstand gekommen, hat nichts unversucht gelassen, ihr altes Leben in einer Hochhaussiedlung hinter sich zu lassen. Dass die fragile Liz in diesem konstruierten und artifiziell anmutenden Dasein fehl am Platz wirkt, verstärkt fast zwangsläufig den Mangel an Sympathie, den man für Susanne empfindet. Aber auch Liz lädt durch ihre selbstgewählte Isolation nicht gerade dazu ein, sich spontan mit ihr anzufreunden, was wiederum sehr für die Leistung der in diversen Kika-Krimis geschulten jungen Mathilde Bundschuh spricht (Regie: Sylke Enders).
Der Rest ist Rahmenhandlung (Buch: Dieter Bongartz). Dass Liz das Internat, in dem sie sich wohl fühlt, fluchtartig verlässt, weil sie Ärger mit ihrem Freund hat, ist im Grunde bloß ein Vorwand, um die Geschichte in Gang zu bringen. Einziger positiv emotionaler Lichtblick sind ihre Begegnungen mit Karin auf dem Dach des Hochhauses, in dem sie früher mit ihrer Mutter gelebt hat. Die etwas heruntergekommene alterslose Frau füllt die Leere ihres Lebens mit Dosenbier und hat ein offenes Ohr für Liz’ Probleme; selbst dann noch, als sie erfährt, dass das Mädchen die Tochter ihrer Erzfeindin ist. Steffi Kühnert spielt diese großherzige Frau mit Bravour.
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Und weil Liz dank Karin neuen Lebensmut findet, ringt sie sich sogar dazu durch, sich ein letztes Mal dem scheinbar spontanen und beiläufig geäußerten Wunsch der Mutter nach einer neuerlichen Operation zu beugen. Als sie merkt, dass Susanne den Eingriff von langer Hand geplant hat, droht das gerade zaghaft stabiler gewordene Beziehungsgeflecht zwischen Mutter und Tochter erneut zu zerreißen.