Auferstehung an der Autobahn

Foto: Stephan Fritz
Dreharbeiten auf der Baustelle: Am Sonntag kommt der ZDF-Fernsehgottesdienst aus der Dorfkirche von Zeestow.
Auferstehung an der Autobahn
In der alten Dorfkirche von Zeestow am Berliner Ring ist seit 40 Jahren kein Gottesdienst mehr gefeiert worden. Jetzt wird sie saniert und zu einer Autobahnkirche umgewandelt. An diesem Sonntag, dem Tag der Autobahnkirchen, überträgt das ZDF einen Fernsehgottesdienst aus der kleinen Kirche – direkt von der Baustelle.
15.06.2013
evangelisch.de

Sie wollen die Kirche wachküssen, Pfarrerin Rajah Scheepers und Superintendent Bernhard Schmidt. Vor knapp vier Jahren haben sie – zusammen mit vielen anderen Mutigen – beschlossen, die 160 Jahre alte Zeestower Dorfkirche vor dem Verfall zu retten. Durch das Dach regnete es hinein, die Wände waren feucht, der Friedhof wucherte zu, die Tür war abgeschlossen. Während der DDR-Zeit und danach hatte sich die kleine Schar der Zeestower Christen zur nächstgrößeren Gemeinde in Brieselang gehalten. Für die Dorfkirche interessierte sich niemand mehr.

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"Als wir anfingen, für eine Autobahnkirche zu werben, hielten uns einige für verrückt", erzählt Pfarrerin Rajah Scheepers, die ein Nutzungskonzept für die Kirche geschrieben hat. Die Lage – nur 800 Meter von der Autobahn A 10 entfernt – passt gut. Durchreisende könnten hier einen Stopp einlegen, sich im Grünen entspannen, vielleicht beten – Gott suchen auf ihrer Reise. In Deutschland gibt es 40 Autobahnkirchen, zuletzt wurde eine in Wilnsdorf an der A 45 eröffnet – doch am Berliner Ring ist bisher ein weißer Fleck. 

Es war und ist ein Kraftakt, so eine Idee durchzusetzen. Viele Menschen aus der Region engagieren sich dafür, planen und hoffen, werben um Spenden. Die Sanierung kostet rund 900.000 Euro, und trotz mancher Widerstände konnte das Geld zusammengekratzt werden: Die EU, der Bund, das Land Brandenburg, der Landkreis Havelland, der Kirchenkreis Falkensee und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), die Stiftung KiBa und viele Spender beteiligen sich an dem Projekt.

Ziemlich ramponiert

Nun wird das Dach abgedichtet, die Wände werden trockengelegt, die wuchernden Pflanzen rund um die Kirche zurückgeschnitten. Wenn alles fertig ist, soll auch ein Kunstwerk in der Kirche die Kirche zieren und zur Meditation einladen. Was für eins, ist noch nicht klar, doch das Thema steht schon fest: "Gott ist mit uns unterwegs". Das Werk soll nicht abstrakt sein, sagt Rajah Scheepers, sondern die Menschen sehr direkt ansprechen. Wer hier Halt macht, findet vielleicht auch durch die Kunst in der Stille zu Gott.

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Nach Möglichkeit soll in einem Jahr, zum Tag der Autobahnkirchen 2014, alles fertig sein. Der Fernsehgottesdienst an diesem Sonntag findet mitten in der Baustelle statt – und das werden die Zuschauer auch sehen. An der Decke sind große Flächen unverputzt, eine Seitentür fehlt. Die Gemeinde wird auf Klappstühlen sitzen – auf einem provisorisch eingezogenen Fußboden übrigens, denn für das Trockenlegen der Wände musste der alte Fußboden raus. "Durch die Bildsprache wird man sofort sehen, wir sind in einer eigenartigen Kirche, die ziemlich ramponiert aussieht. Diese Kirche war dem Verfall preisgegeben und sie wir gerettet dadurch, dass Menschen sich engagieren", erklärt Pfarrer Stephan Fritz von der Rundfunkarbeit der EKD.

Im Fernsehgottesdienst werden sie auch an die Gemeinden im Süden, Osten und Norden Deutschlands denken, deren Kirchen jetzt ebenfalls Baustellen sind, weil sie durch das Hochwasser zerstört wurden. So ist das lange geplante Thema des Gottesdienstes unerwartet aktuell geworden: In den Fürbitten wollen die Zeestower für die überschwemmten Gemeinden beten. Die Baustelle sei ein Signal, meint Rajah Scheepers. Ein Zeichen der Hoffnung, dass es Kirchen gibt, die wieder neu genutzt werden, Kirchen "im Aufbau und Aufbruch."

"Eine Gemeinde, die wir heute noch gar nicht kennen"

Pfarrer Bernhard Schmidt, Vorsitzender der Kollegialen Leitung des Evangelischen Kirchenkreises Falkensee, wird im Fernsehgottesdienst über Epheser 2, 19-20 predigen: "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen,  erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist." Als das vor knapp 2000 Jahren geschrieben wurde, ging es darum, wer zur neuen Gemeinde der Christen dazugehören durfte: Nur die Juden? Oder auch die Griechen, die vorher Heiden waren?

Alle gehören dazu, die Herkunft zählt nicht. Zu dieser Antwort kam die Christengemeinde damals, und zu dieser Antwort kommt auch Bernhard Schmidt heute: "Es soll eine offene und einladende Kirche sein – auch für Menschen, die dort zufällig vorbeikommen." Wer auch immer hier Halt macht und was auch immer die Menschen hier suchen: Sie werden eine Gemeinde bilden, die anders ist als normale Dorfgemeinden. Lauter unterschiedliche, einander unbekannte Menschen werden sich hier begegnen – es entsteht "eine Gemeinde, die wir heute noch gar nicht kennen", träumt Rajah Scheepers. Und in dieser besonderen Gemeinde wird die Zeestower Kirche auferstehen.