Es ist mehr als bedauerlich, dass sich die Serienbemühungen des ZDF seit einigen Jahren auf den Vorabend beschränken. Und wenn es mal eine neue Produktion gibt, ist es garantiert ein Provinzkrimi. Dabei hätte das Zweite mit "Der Doc und die Hexe" ausgezeichnetes Material. Der Zweiteiler präsentierte vor zwei Jahren Figuren und Konstellationen, wie es sie in diesem Tempo, dieser Erzähldichte und dieser Qualität der Dialoge auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht alle Tage gibt. Nun zeigt das ZDF zwei weitere Filme über den turbulenten Geschlechterkrieg zwischen dem "Dr. Wu" genannten blasierten Starchirurgen Hans Wunderlich (Dominik Raacke) und der deutlich jüngeren, in traditioneller chinesischer Medizin ausgebildeten Internistin Sophie Schöner (Christiane Paul), die einander in inniger Hassliebe ergeben sind, weil sie sich zwar zueinander hingezogen fühlen, aber sowohl medizinisch wie auch menschlich völlige Gegensätze verkörpern.
Der Vorwand
Der dritte Film der Reihe trägt den etwas beliebigen Titel "Nebenwirkungen" und setzt nahtlos an, wo Teil zwei aufhörte: Wu und Sophie haben das Krankenhaus verlassen, um sich selbstständig zu machen. Wunderlich ist gerade dabei, mit einem Vorschlaghammer die Wand einzureißen, die die Praxisräume voneinander trennt, und Sophie ruft die Polizei. Weil aber das Ensemble in einer Gemeinschaftspraxis zwangsläufig viel kleiner ist, braucht die Geschichte einen Vorwand, damit die beiden wieder ins Krankenhaus zurück können. Also muss Chefarzt Dr. Fritz (Peter Lerchbaumer) mitten in einer OP einen Zusammenbruch erleiden, Wunderlich wird kommissarischer Klinikchef, und weil Fritz mit letzter Kraft den Wunsch äußern kann, von Sophie behandelt zu werden, feiert auch sie ihr Comeback in der Berliner Klinik Unter den Linden.
Prompt geht nun alles wieder von vorne los, aber das ist bei Serien ja im Grunde nicht anders. Erneut erweist sich "Der Doc und die Hexe" als gelungene Mischung aus "Emergency Room" und "Doctor’s Diary". Es geht um Liebe und Eifersucht, um berufliche wie erotische Rivalität, es wird nach Kräften intrigiert, und außerdem werden auch noch wahlweise herzergreifende oder witzige Patientengeschichten erzählt, etwa die des kleinen Mädchens, dessen Oma (Carmen Maja Antoni) es nicht übers Herz bringt, ihm vom Urlaubstod der Eltern zu erzählen; oder die der Journalistin (Ingeborg Westphal), einer dem Alkohol zuneigten fröhlichen Kettenraucherin, die ausgerechnet für das Gesundheitsressort zuständig ist. Als in der Hektik eines besonders stressigen Tages die Blutproben des Mädchens und der Trinkerin verwechselt werden und das Kind plötzlich in Lebensgefahr schwebt, wird auch der Klinikstress sehr nachdrücklich thematisiert. Der Tod spielt dank der Lebensmüdigkeit eines krebskranken Polizisten (André Hennicke) ohnehin eine tragende Rolle. Die ziemlich unappetitlichen Nahaufnahmen aufgeschnittener Bäuche sorgen dafür, dass man immer wieder an den Ernst der Lage erinnert wird.
Wie schon der erste Zweiteiler, so sind auch die beiden weiteren Neunzigminüter (Teil zwei folgt am Donnerstag) von Vivian Naefe temporeich umgesetzt worden. Die Drehbücher stammen erneut von Gerlinde Weis und Harald Göckeritz, so dass sich nicht nur am episodischen Erzählstil, sondern auch an der Qualität der bissigen Dialoge nichts geändert hat. Beim großartigen Ensemble gab es allerdings Umbesetzungen. Wieder dabei sind Wotan Wilke Möhring als Schürzenjäger Dr. Burger und Elena Uhlig als Geschäftsführerin der Bergmannstiftung, neu im Ärzteteam ist Annika Pages als Neurochirurgin, die gegen Burgers Avancen immun ist, während im Privatleben der nunmehr auch noch schwangeren Sophie Gaby Dohm als überkandidelte Mutter ihr Unwesen treibt.