Gauck: "Man kann sich nicht vorstellen, was zu bewältigen ist"

Bundespräsident Gauck in der Kirche in Halle
Foto: dpa/Hendrik Schmidt
In Begleitung von Probst Johann Schneider (r) und Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (l, parteilos) betritt Bundespräsident Joachim Gauck die Marktkirche von Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt).
Gauck: "Man kann sich nicht vorstellen, was zu bewältigen ist"
Die verheerende Flutkatastrophe bricht in Ostdeutschland immer neue Rekorde. Besonders dramatisch ist die Lage am Sonntag in Sachsen-Anhalt sowie in Teilen Brandenburgs. Bundespräsident Joachim Gauck sprach den betroffenen Menschen Mut zu.

###mehr-info-84475### Die sachsen-anhaltische Landeshauptstadt Magdeburg erlebt die schlimmste Elbe-Flut ihrer 1.200-jährigen Geschichte. In der zurückliegenden Woche waren in Sachsen-Anhalt bereits in Halle an der Saale die höchsten Wasserstände seit rund 400 Jahren gemessen worden. Am Sonntagmorgen traf Bundespräsident Joachim Gauck in den ostdeutschen Katastrophengebieten ein. Die Regierung plant derweil laut einem Zeitungsbericht einen nationalen Flutgipfel, um eine faire Bewältigung der Milliardenschäden zu verabreden.

"Man kann sich nicht vorstellen, was da alles zu bewältigen ist", sagte Bundespräsident Joachim Gauck mit Blick auf die Flutkatastrophe und deren Folgen bei seiner Ankunft in Halle. Gauck nahm an einem Gottesdienst in der Hallenser Marktkirche St. Marien teil. Dabei gedachten Hunderte Menschen der Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland, die ihr Leben, ihr Hab und Gut und ihre Existenz verloren haben.

Anschließend kam der Bundespräsident unter Ausschluss der Medien mit Mitarbeitern von Einsatz- und Rettungsdiensten ins Gespräch und besuchte einen von der Saale überfluteten Kindergarten. Das Staatsoberhaupt sprach den Helfern in Halle seine Anerkennung aus. Zugleich zeigte sich der Bundespräsident zuversichtlich für den Wiederaufbau. "Dass wir es wieder packen, das haben wir auch bei der Flut 2002 bewiesen", sagte Gauck. Auch jetzt werden sich seiner Ansicht nach erneut viele Menschen in Deutschland von der Hilfsbereitschaft anstecken lassen und ihren Geldbeutel öffnen. "Deutschland ist ein solidarisches Land", sagte der Bundespräsident.

Auch der evangelische Regionalbischof Johann Schneider rief in dem Gottesdienst in der Marktkirche zu weiteren Hilfe für die Flutopfer auf.  "Lassen sie ihr Herz sprechen", sagte er. Mit der Flut sei bei vielen die Erinnerung an 2002 wach geworden. "Die Angst stieg wie der Pegel des Wassers", sagte Schneider. Er lobte die gegenseitige Hilfe. Überall sei zugepackt worden. Viele hätten in der Not Verantwortung übernommen.

Verzweifelt gegen die Fluten

In Magdeburg und im Norden Sachsen-Anhalts stemmten sich die Menschen am Sonntag weiter verzweifelt gegen die Fluten. Am Vormittag zeigte die Pegelstation in der Mitte des Magdeburger Stadtgebiets die Marke von 7,46 Meter an. Am Vortag waren 7,40 Meter als Höchststand vorhergesagt worden. Bei der verheerenden Flut im August 2002 stand der Rekord-Pegel dort bei 6,72 Meter, der Normalwert beträgt knapp zwei Meter.

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In der Nacht zum Sonntag hatte die Stadtverwaltung den Ortsteil Rothensee geräumt, zu dem neben einer 2.800 Einwohner zählenden Siedlung auch ein Industriegebiet mit Hafen und ein großes Umspannwerk gehört. Die Stadtverwaltung zog die Evakuierung von weiteren Gebieten in Erwägung, "um Leib und Leben zu schützen", wie es hieß. Es wurde eine Quartierbörse für private Angebote eingerichtet.

Nördlich von Magdeburg werden ebenfalls Allzeit-Rekorde bei den Pegeln erwartet. Zudem war am Morgen ein Damm an der Saale im Gebiet der Mündung des Flusses in die Elbe gebrochen. Der Krisenstab der Landesregierung rief die noch verbliebenen Einwohner von sieben Orten auf, sich in Sicherheit zu bringen. Bereits am Samstag waren in dem Gebiet rund 10.000 Menschen evakuiert worden.

Havelpolder werden gezogen

Auch im Nordwesten Brandenburgs spitzte sich die Lage dramatisch zu. In der Prignitz stiegen die Elbe-Pegel rapide an. In Wittenberge wurde am Sonntagmorgen um 9.00 Uhr ein Wasserstand von 7,73 Metern gemessen. Das waren rund 60 Zentimeter mehr als noch am Tag zuvor. Gerechnet wird inzwischen mit bis zu 8,10 Metern am Dienstag. Zahlreiche Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen, so etwa in den südlichen Stadtteilen von Wittenberge.

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Zur Entlastung der Situation in der Prignitz sollten am frühen Nachmittag die Havelpolder gezogen werden, wie Umweltministerin Anita Tack (Linke) mitteilte. Zahlreiche Tiere dort wurden inzwischen aus den Poldern geholt und in Sicherheit gebracht. Auch in Mühlberg blieb die Lage angespannt, es galt weiter Katastrophenalarm. Wann die Einwohner dort in ihre Stadt zurückkehren können, war weiter unklar.