Demokratischer sparen

An vielen großen und kleinen Posten kann gespart werden. Wo fängt man an?
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An vielen großen und kleinen Posten kann gespart werden. Wo fängt man an?
Demokratischer sparen
Wie die Synode der pfälzischen Landeskirche ihren Haushalt kürzt
Neue Wege beim Sparen: Mit einer "Portfolioanalyse" versuchten die Synodalen in der Pfalz auf der gerade zu Ende gegangenen Landessynode herauszufinden, wo sie einsparen können - vor allem aber, wo sie einsparen wollen.
29.05.2013
evangelisch.de

2,8 Millionen Euro Einsparungen – das ist das Ziel. Und zwar ab 2015. Nur so kann der Haushalt der 570.000 Mitglieder starken protestantischen Landeskirche in der Pfalz saniert werden. Passiert das nicht, befürchten einige sogar den "Anschluss" an die große Nachbar-Landeskirche von Hessen-Nassau. Es bestand also Handlungsbedarf für die 72 Synodalen auf der Versammlung des Kirchenparlaments vor zwei Jahren, als der Prozess "Mutig voranschreiten – Den Wandel gestalten – Gott vertrauen" angestoßen wurde.

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"Wir wollten aber nicht einfach mit dem 'Rasenmäher-Prinzip' vorgehen", betont Oberkirchenrat Dr. Michael Gärtner, Leiter des für Schule und Bildung zuständigen Dezernat II des Landeskirchenrats. Vielmehr sollte den Synodalen ein tieferer Einblick in die einzelnen Bereiche des komplexen Haushalts ermöglicht werden, auf dessen Grundlage dann Entscheidungen getroffen werden können. "Normalerweise beschäftigen sich die Mitglieder der Landessynode damit nur alle zwei Jahre bei den Haushaltsberatungen - im dafür zur Verfügung stehenden engen Rahmen," weiß Dekan Ralf Lehr, der Vorsitzende des Synodalausschusses für Finanzen: "Das war diesmal anders."

Keine unproduktiven Auseinandersetzungen mehr

Die Evangelische Kirche der Pfalz versuchte es nämlich mit einer sogenannten 'Portfolioanalyse'. Dazu wurden die 57 Handlungsfelder der Landeskirche unter den Aufgaben Verkündigung, Seelsorge, Bildung, Diakonie, Mission, Öffentlichkeitsauftrag und Pflege der Organisationsstruktur zusammengefasst und den Synodalen vorgelegt. Diese mussten die Handlungsfelder, von "Kindergottesdienst" über "Martin-Butzer-Haus" bis "Pfründevermögensverwaltung" nun anonym und computergestützt bewerten. Dazu konnten sie Punkte in zwei Bereichen vergeben: "Wichtigkeit für die Gesellschaft" und "Profilbildung für die Kirche".

Auch Dekan Lehr hat diesen Prozess mitgemacht – und als sehr positiv erlebt: "Die Synodalen konnten sehr unabhängig und frei bewerten. Das hat viel an unproduktiven Auseinandersetzungen genommen, weil ohnehin alle Felder bewertet werden mussten." Und er fügt hinzu: "Das Ganze hat vor allem einen Gesamtblick auf alle Arbeitsfelder der Landeskirche ermöglicht." Genau diesen Vorteil sieht auch Oberkirchenrat Gärtner: "Sowohl Synodale, als auch Verwaltung bekommen durch diesen Prozess einen tiefen Einblick in den kirchlichen Haushalt. So entsteht eine breite Beteiligung."

Das Trifels-Gymnasium in Annweiler

Unmittelbar nach dem Bewertungsprozess erfolgte die Auswertung: Die Handlungsfelder wurden in eine Matrix eingetragen, je nachdem wie hoch sie in Sachen Wichtigkeit (Vertikalachse) und in Sachen Profilbildung (Horizontalachse) abgeschnitten hatten. Im Quadranten "links unten" landeten somit die neun Handlungsfelder, die in beiden Punkten die schlechtesten Bewertungen erhalten hatten. Diese wurden nun einer genaueren Analyse unterzogen und die betroffenen Verantwortlichen und ihre Fürsprecher angehört. Schließlich wurde vom Landeskirchenrat für die am Sonntag in Bad Dürkheim zu Ende gegangene Frühjahrssynode ein Beschlussvorschlag vorbereitet. Dekan Lehr lobt vor allem diese gründliche Vorbereitung, bei der alle Hintergründe und Bedenken offen gelegt worden seien: "Hier begann jetzt ein Kommunikationsprozess zwischen der Kirchenregierung, den Handlungsfeldern und den Synodalen."

Positivbeispiel Trifels-Gymnasium

Der lässt sich am besten an einem Beispiel illustrieren, das auch in der Öffentlichkeit große Beachtung fand: Eine der von der Schließung bedrohten Einrichtungen war das traditionsreiche Trifels-Gymnasium samt Internat in Annweiler. "Natürlich hat eine negative Bewertung durch die Synodalen den Betroffenen in den entsprechenden Handlungsfeldern auch weh getan" berichtet Oberkirchenrat Gärtner. Aber bei der zu seinem Dezernat gehörenden Schule hat das nicht zuletzt auch einige positive Prozesse befördert, die Gärtner als regelrechten 'Aufbruch' erlebt hat: Das Gymnasium rührte ordentlich die Werbetrommel, ein Wirtschaftlichkeitsgutachten wurde erstellt und ein Förderverein zusätzlich zum Freundeskreis gegründet, um mehr Geld einzuwerben.

Alexander Ebel, persönlicher Referent von Kirchenpräsident Christian Schad, hat die Synode beobachtet und ist zu dem Schluss gekommen: "Nicht zuletzt dadurch ist ein Umdenken bei etlichen Synodalen in Gang gesetzt worden." Bei einer Enthaltung wurde so die Schließung einstimmig abgelehnt Ausschlaggebend dabei dürfte allerdings schlussendlich das Ergebnis der Wirtschaftsprüfung gewesen sein: Dieses besagt nämlich, dass eine sofortige Schließung teurer käme, als eine optimierte Weiterführung.

Die Heiliggeistkirche in Speyer

Es gab aber durchaus auch tiefere Einschnitte bei den Entscheidungen über die übrigen der neun Handlungsfelder: So wurde zum Beispiel beschlossen, die Heiliggeistkirche in Speyer, die schon seit vielen Jahren nicht mehr als Gotteshaus genutzt wird, nun endgültig abzugeben. Und auch die Arbeitsstelle Frieden und Umwelt beispielsweise muss in Zukunft mit deutlich weniger Geld auskommen, genau wie einige diakonische Einrichtungen. "Trotzdem hat der Landeskirchenrat Wege aufgezeigt, wie nichts aufgegeben werden muss" – darauf legt Oberkirchenrat Gärtner Wert: "Ein gewisser Bedeutungsverlust bei einigen Handlungsfeldern ist allerdings nicht von der Hand zu weisen."

Keine Kürzung fällt leicht

Ob die ein oder andere Entscheidung nun trotzdem – oder gerade wegen der Einblicke, die die Portfolioanalyse mit sich bringt, geschmerzt habe? Da ist sich Dekan Lehr sicher: "Keine einzige Kürzung fällt den Synodalen leicht!" Bei einigen schwierigen Beschlüssen wäre es so sicher auch hilfreich gewesen, den demokratischen Weg noch weiter zu gehen und die Meinung der Kirchensteuerzahler einzuholen. Oberkirchenrat Gärtner hält einen derart basisdemokratischen Umgang zwar für wünschenswert und richtig. Allein: "Ein solcher Kommunikationsprozess wäre einfach zu komplex!"

Auf der nächsten Synode im November wird es trotzdem weiter gehen müssen mit den unangenehmen Entscheidungen - dann sind die nächsten Handlungsfelder dran. Diejenigen aus dem Quadranten 'links oben', die zwar für wichtiger, aber wenig profilbildend gehalten wurden. Hierbei handelt es sich um viele 'interne' Bereiche und Handlungsfelder aus dem Aufgabenfeld Organisationsstruktur.

Ein Modell auch für andere Landeskirchen?

Aber ob das alles ausreichen wird, um das Sparziel zu erreichen? Gärtner ist da, trotz der bisherigen Erfolge skeptisch: "Das Problem ist, dass mit Ausnahme des Trifels-Gymnasiums, die schlecht bewerteten Arbeitsfelder naturgemäß auch keine besonders großen Haushaltsposten ausgemacht haben." Und so könne es durchaus sein, dass irgendwann doch auch die besser bewerteten Bereiche angegangen werden müssten.

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Und dann könnten zum Beispiel Pfarrstellen abgebaut werden müssen, obwohl die Gemeindearbeit von den Synodalen mit Abstand für am wichtigsten und profilbildendsten gehalten wurde. Dekan Lehr, durch die Arbeit im  Finanzausschuss erfahren im Umgang mit Zahlen, will dazu nur eine private Meinung äußern: "Ich hoffe einfach, dass sich die Einnahmenseite verbessert. Immerhin war zuletzt die Entwicklung überraschenderweise deutlich positiver als die Prognose. Falls nicht, müssen wir vielleicht in einigen Jahren noch einmal von Neuem anfangen."

Natürlich ist so ein Prozess nicht ohne Weiteres auf die Situation in anderen Landeskirchen übertragbar, aber trotzdem muss Lehr nicht lange nachdenken, ober er eine solche Portfolioanalyse auch anderen Gremien unter Sparzwang nahe legen würde: "Ich hätte größte Bedenken, das nicht zu empfehlen!"