Die neuen Gastarbeiter

Foto: epd-bild/Hans-Günter Kellner
Krankenpfleger und Ärzte protestieren in Spanien gegen den Ausverkauf des Gesundheitssystems.
Die neuen Gastarbeiter
Spanische Krankenpfleger bereiten sich auf Jobs in Deutschland vor
Die Lage in ihrem Land erscheint ihnen aussichtslos. Deshalb zieht es spanische Pflegekräfte nach Deutschland. Die höchste Hürde sind fehlende Deutschkenntnisse; den größten Schmerz bereitet ihnen, ihre Familie verlassen zu müssen.
28.05.2013
epd
Hans-Günter Kellner

"Ich gehe zur Arbeit. - Akkusativ." Geduldig liest die 47-jährige Consuelo Ruiz die Aufgaben aus ihrem Deutschkurs vor. Seit zwei Monaten lernt Consuelo Ruiz mit 20 weiteren Krankenpflegern im Fortbildungszentrum im Madrider Vorort Getane des spanischen Arbeitsamts Deutsch. Niemand von ihnen hat in Spanien Aussichten auf einen Job, da hoffen sie wie so viele Spanier auf Arbeit in Deutschland. 30.000 Spanier sind 2012 nach Deutschland ausgewandert - 45 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die größte Hürde ist für viele die Sprache. "Deutsch ist schwierig", sagt Consuelo Ruiz offen. "Manche Laute hören sich an, als würde ein Schäferhund bellen", meint sie in einer Unterrichtspause. Aber mit Geduld und Leidenschaft könne man das sicher lernen, sagt sie zuversichtlich. Ähnlich geht es den Übrigen in der Klasse. Aus Liebe zur deutschen Kultur zieht es niemanden von ihnen in die Ferne, aber die Not in der Heimat ist groß. Die Arbeitslosenquote liegt in Spanien bei 27 Prozent.

Vorfreude auf das deutsche Abenteuer

Auch einst krisenfeste Branchen wie der medizinische Bereich sind längst von der tiefen Wirtschaftskrise betroffen. Das öffentliche Gesundheitssystem spart, wo es nur kann. Auslaufende Arbeitsverträge werden nicht mehr verlängert. So ging es auch Consuelo Ruiz. Dabei gelten spanische Krankenpfleger als hervorragend ausgebildet. Sie haben eine Hochschulausbildung und stehen in der Praxis den Ärzten eng zur Seite - wenn sie denn noch einen Job bekommen.

David Lorenzo freut sich auf das deutsche Abenteuer. "Für mich ist das der beste Zeitpunkt. Ich habe keine Familie, derzeit nicht mal eine Freundin", sagt der 36-Jährige. Consuelo Ruiz fällt der Abschied schwerer, sie hat einen Sohn, den sei bei ihrer Mutter zurücklässt. Aber auch sie will zuversichtlich in die Zukunft blicken: "Wegen meiner beruflichen Qualifikation mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Da weiß ich, dass ich den Anforderungen gewachsen bin. Eher befürchte ich Sprachprobleme", sagt sie.

Günstige Arbeitskräfte

Trotz allem wollen sich die beiden nicht mit den spanischen Auswanderern vergleichen, die als sogenannte "Gastarbeiter" nach Deutschland kamen. Madrid sei nur drei Flugstunden entfernt, man müsse nicht wie früher den langen Sommerurlaub abwarten und dann eine tagelange Zugfahrt antreten, bis man zu Hause sei, meint Consuelo Ruiz. Außerdem hätten damals kaum ausgebildete Arbeitskräfte das Land verlassen, heute hingegen seien es hoch qualifizierte Menschen, ergänzt David Lozano. "Das ist traurig, aber so ist es", fügt er hinzu.

"Deutschland bekommt die hoch qualifizierten Krankenpfleger recht günstig", sagt María José García vom Verband der spanischen Altenpfleger. Denn viele Krankenpfleger würden in der Altenpflege eingesetzt, also unterhalb ihrer eigentlichen Qualifikation, und auch entsprechend bezahlt. Der Verband der Krankenpfleger in Madrid leitet Jobangebote inzwischen nur noch weiter, wenn die Bezahlung zumindest spanischen Standards entspricht.

Biss in den sauren Apfel

Ein deutscher Klinikkonzern hat David Lozano und Consuelo Ruiz hat bereits Jobs in Krankenhäusern in mehreren deutschen Großstädten angeboten - für ein Monatsgehalt von 1.500 Euro. In Spanien verdienten sie rund 1.800 Euro. "Wenn du nichts zu tun hast und nicht weißt, wovon du leben sollst, beißt du eben in den sauren Apfel", sagt David Lozano. "Jetzt lernen wir erst mal deutsch."

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Juan Ignacio Marión kennt das Problem. Er ist beim Arbeitsamt in Madrid für die Ausbildung zuständig, auch für die Deutschkurse. Bislang bestand seine Aufgabe darin, die Leute mit Weiterbildungsprogrammen fit für den heimischen Arbeitsmarkt zu machen. Heute bereitet er sie auf die Arbeit im Ausland vor.

"Bitter" sei das, sagt er nachdenklich. "Unsere Gesellschaft hat in diese Leute ja investiert, und jetzt verlässt dieses Humankapital das Land." Er äußert die Hoffnung, dass Spaniens tiefe Krise ja irgendwann vorüber sei und Krankenpfleger wie David Lozano und Consuelo Ruiz dann wieder zurück nach Spanien kommen könnten. Doch zuversichtlich klingt er dabei nicht.