Am christlichen Sonntag macht selbst die Polizei in Bekasi Pause - obwohl die Polizisten Muslime sind. Und Christen in der von islamischen Hardlinern beherrschten Großstadt einen sehr schweren Stand haben.
###mehr-artikel###Die sonntägliche Polizeipause gibt Reverend Palti Panjaitan die Gelegenheit, an der christlichen Gebetsdemo vor dem Präsidentenpalast in der nahe gelegenen Hauptstadt Jakarta teilzunehmen. Die Christen bestehen auf Religionsfreiheit, wie sie in der Verfassung versprochen ist. Außerdem fordern sie ein Eingreifen von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono gegen die wachsende Macht der radikalen Islamischen Verteidigungsfront FPI in den Städten Bekasi, Bogor und Depok. Zusammen mit der indonesischen Hauptstadt bilden sie die 28 Millionen Einwohner zählende Metropolenregion, gehören aber zur Provinz Westjava - die als die religiös intoleranteste Region Indonesiens gilt.
Wochentags ist Reverend Palti derzeit Dauergast bei der Polizei. Immer wieder wird er zu Verhören geladen. Mehrere Verabredungen zu einem Besuch des Pfarrers der Gemeinde Fildalefia in Bekasi wurden kurzfristig abgesagt. "Palti muss schon wieder zu Polizei" wurde zur Standard-SMS. Dem Reverend wird vorgeworfen, einen Muslim tätlich angriffen zu haben.
Selten Strafen für religiöse Übergriffe
Das in Frage stehende Ereignis hat sich Weihnachten 2012 ereignet. Die Fildalefia Gemeinde der Huria Kristen Batak Protestan Kirche musste ihren Weihnachtsgottesdienst in einem Polizeirevier feiern. Das war als Schutzmaßnahme vor Übergriffen militanter Muslime gedacht. Ihre eigene Kirche war am 12. Januar 2010 auf Druck der FPI geschlossen und trotz des Urteils eines Verwaltungsgerichts zugunsten der Gemeinde seitdem nicht wieder eröffnet worden. Die FPI setzt sich ungehindert über Recht und Gesetz, über Justiz und Verfassung hinweg und agiert in Westjava als Staat im Staat.
Nach dem Gottesdienst wurde die Gemeinde von gut 500 Muslimen mit Steinen, Urin und faulen Eiern beworfen. Unter Polizeischutz verließen Palti und seine Frau auf einem Moped die Szene. Palti schildert nach der Gebetsdemo in einem Cafe in der opulenten Shopping Mall Grand Indonesia im Zentrum Jakartas die Szene so: "Wir wurden auf drei Seiten von der Polizei eskortiert, als von vorne einige Muslime auf uns zukamen. Ich habe versucht, sie an einem Angriff zu hindern, einen habe ich weggestoßen. Das ganze hat weniger als eine Minute gedauert. Dann hat mich der Mann angezeigt. Er behauptet, ich hätte ihn mehrfach geschlagen. Das stimmt nicht. Hätte ich das getan, wäre ich auf der Stelle festgenommen worden."
Von der Polizei ist keine Hilfe zu erwarten
Die Zahl der Angriffe auf Kirchen und Moscheen von Minderheitsreligionen hat nach einer Untersuchung des Setara Institut für Demokratie und Frieden in Jakarta seit 2010 sprunghaft zugenommen. Die Täter kommen in der Regel ungestraft davon.
Palti hat keine Angst. Im Gegenteil, der 41-Jährige ist ein fröhlicher Mensch, der in sich ruht. Mit einem schelmischen Lächeln auf seinem runden Gesicht erinnert er ein wenig an den Fernsehkommissar Wilfried Stubbe. Auch Palti wirkt gemütlich bis zur Harmlosigkeit, ein schlaues Schlitzohr, das zu unterschätzen ein böser Fehler wäre.
Der Reverend stammt aus Nordsumatra, der Heimat der Volksgruppe der Batak. Durch die Arbeit des deutschen Missionars Ludwig Ingwer Nommensen und der Rheinischen Missionsgesellschaft ab ungefähr 1860 sind die Batak heute zu gut 85 Prozent protestantische Christen, wobei die meisten der eigenständigen, 1917 gegründeten Batak-Kirche Huria Kristen Batak Protestan (HKBP) angehören.
Der Arbeit wegen ins Reich der Radikalen
Vor sechs Jahren wurde Palti von seiner Kirche nach Bekasi geschickt, um sich um das religiöse und spirituelle Wohl der vielen zehntausend Batak dort zu kümmern. "Die muslimischen Hardliner werfen uns die Christianisierung Bekasis vor. Sie behaupten, die wachsende Zahl von Christen in der Stadt sei eine Folge der Konvertierung von Muslimen", sagt Palti und fügt energisch hinzu: "Das stimmt nicht. Wir kommen nur wegen Jobs." Die Metropolenregion Jakarta ist das wirtschaftliche und industrielle Herz Indonesiens.
Es gibt 33 HKPB-Gemeinden in Bekasi. Einige haben schon unliebsame Bekanntschaften mit der FPI und ihren willfährigen Helfershelfern in Politik, Verwaltung und Polizei gemacht. Vorläufig letztes Opfer war kurz vor Ostern die Taman Sari Kirche, die auf Geheiß der Stadtverwaltung von Bekasi - und nach erheblichem Druck seitens der FPI - abgerissen wurde. Die Kirche sei illegal erbaut worden, hieß es zur Begründung.
Minderheiten verbrüdern sich
Formal mag das sogar stimmen. Aber die Hürden für eine Genehmigung zum Bau und Betrieb einer Kirche sind inzwischen so hoch gesetzt worden, dass es schwierig ist, sie zu erfüllen. Zudem werden die Gesetze in dem hochkorrupten Land nach Belieben manipuliert. Zum Beispiel sind für eine Kirchengenehmigung die Unterschriften von mindestens 60 Nachbarn notwendig. Niemand prüft aber nach, ob die Unterschriften von Kirchengegnern wirklich von Nachbarn stammen, oder von der FPI sonst wo beschafft wurden.
Reverend Palti ist im Nebenberuf Vorsitzender des Solidaritätskomitees der Opfer religiöser Gewalt. Betroffen von den Übergriffen durch Islamisten sind Protestanten und Katholiken, aber auch Angehörige der islamischen Glaubensrichtung Ahmadiyya sowie der schiitischen Minderheit. Inzwischen kämpfen diese Religionen in Indonesien gemeinsam gegen ihre zunehmende Unterdrückung.
Preis für Präsidenten macht noch wütender
So sind am Sonntag ganz selbstverständlich auch einige schiitische Frauen im schwarzen Tschador bei der Gebetsdemo, die unter dem Motto steht: "Ein Verbrechen, das im Namen von Religion begangen wird, ist das größte Verbrechen gegen Religion." Die Schiitin Emilia Az sagt: "Das ist nicht mehr nur ein Konflikt zwischen der Mehrheit der Sunniten und der Minderheit der Schiiten. Vielmehr ist bei uns in Indonesien der religiöse Pluralismus in Gefahr. Es gibt hier über 400 Religionen, die meisten davon sind Stammesreligionen."
###autor###Der besondere Protest der Christen, Schiiten und Ahmadis gilt derzeit der Verleihung eines Preises an Präsident Susilo Bambang Yudhoyono. Er wird von der US-amerikanischen "Appeal of Conscience Foundation" dafür geehrt, religiöse Harmonie gefördert zu haben. "Der Preis ist ein Witz. Es gibt keine Grundlage dafür. Susilo Bambang Yudhoyono lässt Gewalt im Namen von Religion zu", sagt Palti.
Dann macht er sich auf den Heimweg. Weit ist Bekasi nicht, aber bei dem mörderischen Verkehr in Jakarta weiß man nie, wie lange eine Fahrt dauern wird. Palti möchte an diesem Sonntagabend noch ein paar Stunden mit seiner Frau und seiner sieben Jahre alten Tochter verbringen, bevor er am nächsten Tag wieder zur Polizei muss.