Die Idee hat Pepe Danquart nicht exklusiv, aber sie liefert die perfekte Basis für diesen Film: Der Autor und Regisseur so faszinierender dokumentarischer Werke wie "Heimspiel", "Höllentour" oder "Am Limit" schickt Joschka Fischer für sein Porträt durch ein filmisches Museum und konfrontiert ihn auf diese Weise mit den wichtigsten Stationen seines Lebens. Da sich Danquart selbst jedes Kommentars enthält, hat Fischer naturgemäß die Deutungshoheit über die eigene Biografie. In Exkursen kommen zwar immer wieder Weggefährten und Zeitzeugen zu Wort, doch sie sollen nicht konterkarieren, sondern andere, ergänzende Sichtweisen liefern.
Ein Film über ein deutsches Leben
Zum Kinostart vor zwei Jahren hieß es prompt, "Joschka und Herr Fischer" sei einseitig, distanzlos und eine einzige Lobhudelei. Tatsächlich wäre es an der einen oder anderen Stelle interessant gewesen, eine zweite Meinung zu hören; Fischers Sichtweise ist nicht nur subjektiv, sondern auch nicht unbedingt selbstkritisch. Betracht man das Werk aber weniger als Porträt, sondern als Film über ein deutsches Leben, bekommt Danquarts Ansatz Methode. Viele der dokumentarischen Ausschnitte, die er einstreut, haben nur mittelbar mit Fischer zu tun. Natürlich hatte der Vietnam-Krieg ebenso großen Anteil an seiner Politisierung wie die Ereignisse rund um den Berliner Besuch des Schah von Persien, aber an den entsprechenden Demonstrationen war er nicht beteiligt. Man sieht diese Ereignisse auch nicht durch seine Brille; er repräsentiert vielmehr all jene jungen Erwachsenen, die spätestens durch die Ermordung Benno Ohnesorgs aufgerüttelt wurden.
Andererseits vermeidet Danquart durch die Konzentration auf seinen Protagonisten, dass der Film zur reinen Lehrstunde wird. In Fischers Schilderung seiner dörflichen Kindheit und seiner Jugend als Sprössling aus streng christlich-konservativem Elternhaus dürften sich Millionen von Menschen wiederfinden, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren unter ähnlichen Umständen aufgewachsen sind. Ausgesprochen reizvoll und geschickt integriert sind zudem die Einwürfe, wenn beispielsweise Schauspielerin Katharina Thalbach erzählt, wie zur gleichen das Leben in der DDR aussah.
Immer wieder ergänzt Danquart Fischers Ausführungen durch wütende provokante Collagen, die beredt erläutern, warum die Jugend zumindest in den Großstädten gar nicht anders konnte, als ihrem Protest auf der Straße Luft zu machen. Die stakkatoartig montierte Zusammenstellung von Aufnahmen aus dem Vietnam-Krieg zum Beispiel wirkt wie optisches MG-Feuer; kein Wunder, dass man sich der Wirkung nicht entziehen kann. Da viele Bilder ikonografischen Charakter und sich längst ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, genügt mitunter bloß eine kurze Einblendung (etwa der Schriftzug des Flughafens in Mogadischu), um die entsprechenden Vorfälle umgehend wachzurufen.
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Die Kinofassung war zwanzig Minuten länger, so dass in der TV-Version einige Aspekte zu kurz kommen. Ohnehin sind die Biografie und ihre untrennbare Verknüpfung mit der Zeitgeschichte viel zu komplex, um wirklich allen Aspekten angemessen gerecht zu werden. Allein die Passagen, in denen Fischer über seine politischen Lehrjahre als erster grüner Minister in Hessen und später über den Preis der Macht spricht, als ausgerechnet die pazifistischen Grünen in den Krieg ziehen mussten, sind ungeheuer spannend. Ein sehenswerter Film über einen Politiker, der es anderen überlassen hat, sein Werk zu vollenden. Arte zeigt "Joschka und Herr Fischer" im Rahmen des um 20.15 Uhr beginnenden Themenabends "Atomkraft: Abschalten reicht nicht."