NSU-Prozess: Knistern im Gerichtssaal

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach
Beate Zschäpes Anwälte überlassen nichts dem Zufall - Journalisten sollten das im Blick haben.
NSU-Prozess: Knistern im Gerichtssaal
Die Journalisten und der NSU-Prozess
Aus der Berichterstattung über den NSU-Prozess und die wohlfrisierte Nazi-Ost-Braut im dunklen Hosenanzug mit verschränkten Armen, puppenhaften Zügen, Mädchenohrringen und viel Mascara auf den Wimpern, die sonst gerne auch rosafarbene Puschen und Hilfiger-Shirts und Handtaschen mit Leopardenmuster trägt, ist die Aufgeregtheit inzwischen gewichen. Gut ist sie deshalb immer noch nicht.
17.05.2013
evangelisch.de
Ellen Nebel

Zugegeben: Am ersten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht München passierte inhaltlich nicht viel. Schon nach kurzer Zeit wurde die Verhandlung wegen eines Befangenheitsantrages der Verteidigung von Beate Zschäpe gegen das Gericht verschoben. Was die Medien zu berichten wussten war in der Folge nah dran an einer Ikonisierung der 38-Jährigen. Keine Geste, kein Detail ihres Äußeren blieb unbeachtet. Die Journalisten schnappten eifrig nach dem Köder, den ihnen die Verteidigung Zschäpes mit dem wohlgeplanten Auftritt hingeworfen hatte.

Teil der Verteidigungsstrategie

Nur selten fand sich in der Berichterstattung ein Hinweis darauf, dass der äußere Wandel der Angeklagten offensichtlich Teil der Verteidigungsstrategie ist. Das bis dato in den Medien verbreitete Bild der ungepflegten Nazi-Braut, der man so einiges zutraute, ließen Zschäpes Anwälte bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt vor Gericht durch das einer jungen, gepflegten, adretten Frau ersetzen, die auch gut hinter einem Sparkassenschalter sitzen könnte. Die öffentliche Meinung lässt sich so subtil beeinflussen, diese wiederum dürfte auch auf das Gericht einwirken. Die Medien haben das neue Zschäpe-Image zu Beginn des Prozesses intensiv transportiert.

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Als der Prozess am 14. Mai fortgesetzt wird, ist Zschäpes Auftritt für die meisten Redaktionen zum Glück weniger interessant. Erhellende Analysen zum Prozessgeschehen sind aber dennoch selten. Zuerst verstricken sich freilich vor allem Online-Medien wie "sueddeutsche.de" in ihren Live-Tickern in einem wilden Faktenwust. Berichtet wird mit Heerscharen von Reportern, die im und vor dem Gerichtssaal sitzen und alles berichten, was irgendwie relevant sein könnte. Zur Meinungsbildung trägt dies wenig bei.

Auch in der gedruckten Presse finden sich kaum tiefgreifende Analysen des juristischen Geschehens. In der "Süddeutschen" stellt die Autorin, die nach dem ersten Prozesstag von der "Frau, die sich Liese nannte, und die von den Nachbarn in Zwickau 'Diddl-Maus' genannt wurde", schrieb, in ihrer Betrachtung fest: "Zwischen Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer und Richter Manfred Götzl knistert es." Diese Erkenntnis belebt sie mit einem kurzen Wortgefecht zwischen den Juristen - als gehörten der harte Ton und die Unstimmigkeiten zwischen den Prozessbeteiligten nicht zum gerichtlichen Alltag und wären eine Besonderheit des NSU-Prozesses und Ausdruck der Boshaftigkeit der Zschäpe-Anwälte.

"Juristisches Ränkespiel"

Unaufgeregt und präzise analysierte zu Beginn des zweiten Verhandlungstages dagegen der Prozessbegleiter des Deutschlandfunks, Rolf Clement, das "juristische Ränkespiel" im Gerichtssaal. Im Kollegengespräch erklärte er unter anderem, welchen Zweck die Anträge der Verteidigung, etwa auf Verlegung in einen anderen Saal, haben. Der Journalist lieferte eine seltene Draufsicht auf das Geschehen, in dem er nicht einfach berichtete, was in München gerade geschieht, sondern auch Erklärungen dazu lieferte.

Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört die Möglichkeit der Verteidigung, Anträge der verschiedensten Art zu stellen, ebenso wie die Möglichkeit der Angeklagten, zu schweigen. Möglich, dass es die Anklage im Laufe des Verfahrens schafft, Zschäpe durch geschickte Taktik zum Reden zu bringen. Aufgabe der Medien ist es, den Prozess zu begleiten, auf seine Rechtsstaatlichkeit hin zu prüfen und Sinn und Zweck einem breiten Publikum, ergo der Öffentlichkeit, zu vermitteln.

Oberflächliche Berichterstattung, die sich im schlimmsten Falle an Klischees festbeißt, trägt nicht dazu bei. Sie befördert eine öffentliche Vorverurteilung und spielt damit der rechtsextremen Szene in die Hände, die eben dies anprangert und für ihre Zwecke missbraucht.