Mali zwischen Krieg und Frieden

Foto: epd/Bettina Rühl
Zwei Jungen sitzen in der nordmalischen Stadt Gao vor einem im Bürgerkrieg zerstörten Hotel.
Mali zwischen Krieg und Frieden
In die befreiten Gebiete im Norden Malis kehrt der Staat nur langsam zurück. Die Büros sind zerstört, der Handel liegt danieder, die Touristen bleiben aus. In der Bevölkerung macht sich Unmut breit. Und Kidal ist immer noch in der Hand von Rebellen.
15.05.2013
epd
Bettina Rühl

Ahmed Ismaël Ag Hama sitzt auf der Terrasse seines Hauses. Und das nicht nur am Feierabend, sondern den ganzen Tag. Dabei hat er in der Stadtverwaltung von Gao, einer staubigen 100.000-Einwohner-Stadt im Norden von Mali, eine wichtige Aufgabe: Er leitet das Umweltamt und ist damit auch für Stadtreinigung, Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung verantwortlich. "Aber alle Büros sind zerschlagen und ausgeplündert", sagt er. "Ich hätte da noch nicht mal einen Stuhl, auf dem ich sitzen könnte."

Nahezu systematisch hatten aufständische Tuareg-Kämpfer der MNLA ("Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad") alles zerstört, was zur staatlichen Verwaltung gehört. Und das nicht nur in Gao, sondern in allen Städten im Norden von Mali, den die MNLA im April 2012 für unabhängig erklärte. Die weltlich orientierten Tuareg wurden wenig später von den islamistischen Milizen überrannt, die mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida in Verbindung stehen. Und die islamistische Miliz MUJAO ("Bewegung für Einheit und Heiligen Krieg in Westafrika") setzte das Werk der Zerstörung fort.

Die französische Militärintervention Mitte Januar 2013 drängte schließlich die Islamisten zurück, gemeinsam mit malischen Soldaten und einer afrikanischen Eingreiftruppe. "Wir sind unseren Befreiern dankbar", sagt Ag Hama. Die Erleichterung über die Flucht der Islamisten ist in jedem Gespräch in Gao spürbar. Denn die Milizionäre kontrollierten die Bevölkerung mit drakonischen Strafen und zwangen ihnen einen Islam auf, der mit dem toleranten Glauben nichts zu tun hat, dem die zu 99 Prozent muslimische Bevölkerung Malis anhängt.

"Es gibt nichts, nicht mal Toiletten oder Waschbecken"

Aber nun macht sich Enttäuschung breit, denn die "Friedensdividende" blieb bislang aus. Die Wirtschaft kommt nicht Recht wieder in Schwung, der Staat macht sich weiterhin rar. "Seit dem 31. März 2012 gibt es Gao nicht ein einziges funktionierendes Büro", sagt Ag Hama. "Viele haben noch nicht einmal Fenster oder Türen. In manchen wurden sogar die Kacheln geplündert. Es gibt nichts, nicht mal Toiletten oder Waschbecken."

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Das wenige, was er seit der Befreiung Gaos zu tun versuchte, habe er von zu Hause aus getan. Mit einem Stift, der sich außer etwas Papier auch noch auftreiben ließ, schrieb Ag Hama einen "Notfallplan", um die Stadtreinigung wieder in Gang zu bringen. Jetzt sucht er Sponsoren, denn die Regierung im fernen Bamako im Süden ist praktisch pleite: "Gao sieht inzwischen aus wie eine Müllhalde."

In die befreiten Gebiete im Norden kehrt der Staat nur langsam zurück, viele Beamte sind geflohen. Der Handel liegt danieder, der Tourismus kam wegen des Krieges und der Entführungsgefahr zum Erliegen. Das soll sich bald ändern, verspricht die Übergangsregierung in Bamako. Premier Diango Cissoko sagte in Gao: "Wir werden im Juli Präsidentschaftswahlen abhalten, da können Sie sicher sein." Seine zweite Botschaft: "Ich bin hier, um Ihnen in Gao und den anderen Regionen im Norden zu versichern, dass wir sie nicht vergessen haben."

Wahlen im Juli?

An beidem zweifeln die Menschen. Bisher ist die malische Regierung noch nicht wieder im ganzen Land präsent. In der Stadt Kidal im Norden herrscht weiter die Tuareg-Organisation MNLA. Mit der französischen Armee und Truppen des Tschad haben die Rebellen ein inoffizielles Stillhalteabkommen. Aber der malischen Armee hat die MNLA mit Krieg gedroht, sollte sie auf Kidal vorrücken.

Gleichwohl verkündete die Übergangsregierung, sie wolle das Problem bis Mitte Mai lösen und rückt mit ihrer Armee auf Kidal vor. Daher drohen neue Kämpfe, mit ungewisser Dauer und ungewissem Ausgang. Die Wahlen, für die der 7. Juli genannt wurde, sind immer noch nicht offiziell angekündigt. Inzwischen wird eher über Ende Juli gesprochen.

"Es gibt ein gewisses Dilemma", sagt Annette Lohmann von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. "Mali braucht sehr schnell Wahlen, um zur demokratischen Ordnung zurückzukehren und um eine Regierung zu haben, die handlungsfähig ist." Eine Regierung, die auch von internationalen Geldgebern anerkannt wird.