Filmkritik der Woche: "Das Bourne Vermächtnis"

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Filmkritik der Woche: "Das Bourne Vermächtnis"
Der Spion, der nicht liebte: Die "Bourne"-Reihe wird fortgesetzt. Nach drei Filmen mit Matt Damon in der Hauptrolle spielt in "Das Bourne Vermächtnis" nun Jeremy Renner einen neuen Spezialagenten. Der vierte Teil kann aber nicht an die Originalität der Vorgänger anschließen.
12.09.2012
epd
Rainer Gansera

In der Galerie der Hollywoodstars gibt es aktuell keinen, der den Typus des All-American Boy so rein verkörpert wie Matt Damon. Damon ist der prototypische Junge von nebenan, ein Inbild des Gewöhnlichen - das sich bestens eignet für Persönlichkeitsspaltungen ins Außergewöhnliche. So faszinierte Matt Damon in drei Filmen um einen Agenten in der Identitätskrise, der aus einer Amnesie erwachend feststellen muss, dass er einem ominösen CIA-Programm zur Herstellung besonders kampftauglicher Agenten entstammt: "Die Bourne Identität", "Die Bourne Verschwörung", "Das Bourne Ultimatum". Und weil diese Formel so erfolgreich war, gibt es nun eine Fortsetzung der Serie. Jeremy Renner, physisch zweifellos in Top-Form nach seinem Action-Auftritt in den "Avengers", hat "Das Bourne Vermächtnis" übernommen.

Für frühere Agenten der Filmgeschichte war "Identitätskrise" ein Fremdwort. James Bond hatte seine Martinis, seine Girls, ein trickreiches Arsenal an Kampfspielzeugen und die unbestrittene Mission, die Welt zu retten. Matt Damon alias Jason Bourne war der Agent der Neuzeit. Gejagt von seinen ehemaligen Auftraggebern, ist er zum "Systemfehler" geworden. Er war eine Person, die ihr Personsein erst noch ermitteln musste. Dabei erschien er aber auch tragisch: Auf der Suche nach dem Übel in der Welt erkennt Jason Bourne, dass er selbst ein Teil davon ist.

Der Titelheld fehlt

Solche tieferen Bedeutungsebenen und mythischen Anspielungen findet man im neuen, vierten Teil der Saga allerdings nur vereinzelt. Dazu passt, dass Tony Gilroy, der bei den ersten drei "Bourne"-Filmen am Drehbuch mitgearbeitet und mit "Michael Clayton" als Regisseur debütiert hat, sich weitgehend von dem bislang üblichen nervösen Handkamerastil verabschiedet. Aber vor allem fehlt der Titelheld.

Der Bourne-Ersatzmann ist Aaron Cross (Jeremy Renner), der zu Beginn im winterlichen Alaska nackt in einen Fluss springt, um eine kleine Schatulle mit grünen und blauen Pillen heraufzuholen. Die Pillen machen aus ihm keinen Superhelden, verleihen ihm aber außerordentliche physische und mentale Fähigkeiten. Wie einst Bourne gehört Cross zu einem Geheimprogramm der amerikanischen Spionageabwehr, das seine Agenten genmanipulatorisch in effiziente Einzelkämpfer verwandelt. Und weil dieses Programm aus dem Ruder gelaufen ist, sollen die sechs auf die grünen und blauen Pillen angefixten Agenten getötet werden.

Nicht nur Revolutionen, auch CIA-Programme fressen ihre Kinder. Cross aber kann entkommen; zusammen mit der hübschen Ärztin Marta Shearing (Rachel Weisz) düst er nach Manila, die Hauptstadt der Philippinen. Marta hatte zwar keine moralischen Bedenken, an einem genetischen "Menschenverbesserungsprogramm" zu arbeiten, findet es nun aber gar nicht okay, dass die Versuchskaninchen getötet werden sollen.

Finale Verfolgungsjagden in drei Mustervarianten

Der Film verfährt mit dem Erbe der "Bourne"-Trilogie wie ein braver Insolvenzverwalter. Die Standards werden geboten, ergeben bisweilen spannende Actionpassagen, bleiben insgesamt aber ohne erfrischende Neuerungen. So zeigen sich die finalen Verfolgungsjagden im quirligen Manila in den drei Mustervarianten: mittels Automobil, Parkour-Springen und Motorrad.

Und die zahlreichen Szenen in der Geheimdienstzentrale präsentieren das Allzubekannte: die totale Erdüberwachung per Monitorwand, das knurrige Kompetenzgerangel der Verantwortlichen, das schmallippige Statement des Programmleiters (Edward Norton), der moralische Bedenken mit dem Hinweis auf machtpolitische Notwendigkeiten beiseiteschiebt.

Jason Bourne hatte mit den Frauen an seiner Seite (Franka Potente, Julia Stiles) untergründig flackernde Affären. In dem Hin und Her zwischen seiner anerzogenen Kälte und keimender Emotion wurde er charakterlich als Held greifbar. Im Vergleich dazu bleibt Aaron Cross gesichtslos. Keinen einzigen Blick der Bezauberung oder auch nur der Irritation richtet er auf Marta.

USA 2012. Regie: Tony Gilroy. Buch: Dan Morgan, Tony Gilroy. Mit: Jeremy Renner, Rachel Weisz, Edward Norton, Scott Glenn, Stacy Keach, Joan Allen. Länge: 135 Minuten. FSK: ab 12 Jahren.