Wie klug dieser Film konzipiert ist, zeigt sich spätestens am Schluss, wenn sich ein Kreis zum zweiten Mal schließt und ein kurzer Dialog zum dritten Mal erklingt: "Ich glaub, jetzt ist’s vorüber." "Aber schön war’s." Zwischen Anfang und Ende liegt eine Liebesgeschichte, die gleichzeitig schmerzlich schön wie auch unendlich traurig ist, dargeboten von zwei herausragenden Schauspielern, inszeniert von einem Regisseur, der schon seit vielen Jahren immer wieder ganz besondere Filme dreht.
Vordergründig scheint "Die Auslöschung" nicht nur des Titels wegen ein weiteres Alzheimer-Drama zu sein. Der Film beginnt mit der ersten Begegnung zwischen dem angesehenen Kunsthistoriker Ernst (Klaus Maria Brandauer) und Restauratorin Judith (Martina Gedeck), die seinem Charme umgehend erliegt. Der romantische Teil der Geschichte ist bereits mit dem ersten Akt erledigt, denn der zweite schildert in größeren Zeitsprüngen, dass es sich bei Ernsts gelegentlichen Aussetzern keineswegs bloß um die übliche Vergesslichkeit des zerstreuten Professors handelt.
Vorübergehende Orientierungsschwäche
Natürlich arbeitet das Drehbuch (Regisseur Nikolaus Leytner gemeinsam mit Agnes Pluch) die Liste der verschiedenen Symptome ab: von der vorübergehenden Orientierungsschwäche über die Brille im Kühlschrank bis hin zum vergessenen Kochtopf auf der glühenden Herdplatte. Trotzdem ist "Die Auslöschung" keine Verfilmung eines typischen Krankheitsbildes, denn Kern der Handlung ist die Liebesgeschichte. Im Grunde ist der Film sogar eine Hommage an Judiths Mut, denn spätestens ab der Diagnose weiß sie, dass Ernst irgendwann keine Ahnung mehr haben wird, wer sie ist. Für diesen Moment hat er vorgesorgt, wohlwissend, dass er dann längst nicht mehr Herr seiner selbst sein wird.
Natürlich ist auch Martina Gedecks Leistung großartig, aber letztlich degradiert Klaus Maria Brandauer sie ebenso wie die Nebendarsteller (darunter immerhin Birgit Minichmayr als Ernsts Tochter) zur Stichwortgeberin. Wie er nicht nur den geistigen Verfall des brillanten Rhetorikers, sondern auch die nuancierten Veränderungen in Körperhaltung und Sprechweise spielt, ist schlicht ein Ereignis. Leytners Anteil an dieser Demonstration herausragender Schauspielkunst dürfte nicht unerheblich sein, schließlich hat der allein für das Drama "Ein halbes Leben" (Grimme-Preis, Deutscher Fernsehpreis) mehrfach ausgezeichnete Österreicher nicht nur in den diversen Filmen mit Christiane Hörbiger ("Der Besuch der alten Dame") bewiesen, dass er Schauspieler besonders gut aussehen lässt.
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Immer wieder zeigt sich die Sorgfalt der gesamten Produktion im Detail, und sei es bloß so eine Kleinigkeit wie der Schweißfilm auf Judiths Haut nach dem Liebesakt. Ein großes Werk. Im Anschluss zeigt die ARD "Die Welt des Vergessens", eine Dokumentation über ein thailändisches Modellprojekt, bei dem Alzheimer-Patienten in den Dorfalltag integriert werden.