Im Garten von Kerstin Lüchow türmen sich tote Äste, umgeben von Farnen und Fingerhüten. "Käferbeet" sagt die Gartenbau-Ingenieurin aus Heilbronn dazu. Ein gestalterisches Element, das sie in England entdeckt habe. Je mehr Zersetzungsstadien die Hölzer aufwiesen, desto größer die Vielfalt der Insekten, die in der Totholzecke nisten.
Totholz nutzt zunächst nicht dem Gärtner, sondern der Natur. Wer Vielfalt zu schätzen weiß, den belohnt es vielleicht mit dem einen oder anderen Nützling, der aus dem Holz kriecht. Ein Naturgärtner, der Totholz duldet oder womöglich fördert, entsagt dem Willen zum Machen. Er lässt wachsen und welken, leben und sterben.
Morsche Holzhabitate für Wildbienenweibchen
Etwa 1.350 Käferarten sind hierzulande auf Totholz angewiesen, um sich vermehren zu können. Der Rosenkäfer, der den Verrottungsprozess im Kompost beschleunigt, braucht liegendes Moderholz, unter dem sich auch Molche und Salamander wohlfühlen. Auch Nützlingen wie blattlausfressenden Marienkäfern und schneckenvertilgenden Laufkäfern kann man eine Behausung aus sterbendem Holz anbieten.
"Und das soll nicht schön aussehen?" Kerstin Lüchow ist überzeugt von ihrer Totholzecke. Sie empfiehlt Laubhölzer, am besten Eiche, die von den Larven des Hirschkäfers bevorzugt werde. Jeder Käfer, jede Wildbiene braucht ein bestimmtes eigenes Biotop. "Die Holzbiene etwa benötigt Holz, das außen intakt und innen morsch ist", erläutert Lüchow, die als Totholz-Expertin dem Vorstand des Vereins Naturgarten e.V. angehört. "Die Holzbienen nagen sich ihre Nistgänge hinein."
Auch Wildbienenexperte Paul Westrich hat unter seinem Insektenhotel Totholz gestapelt hat. Für die Waldpelzbiene, die Schwarzbürstige Blattschneiderbiene und die Gartenwollbiene hat er in seinem privaten Forschungsgarten in Kusterdingen (Baden-Württemberg) morsche Holzhabitate angelegt. Sie wurden sofort von den Wildbienenweibchen bezogen.
Ungeschredderter Holzschnitt kann zu Hecke werden
"Früher wurde das Totholz dem Ordnungswahn geopfert, heute wird es verheizt", sagt Lüchow. Dabei verkriechen sich Blindschleichen und Igel gern in Reisighaufen, Rotkehlchen und Zaunkönige suchen dort ebenfalls Schutz. Meisen und Kleiber nisten am liebsten in hohlen Obstbäumen. Auch Spechte, Garten- und Siebenschläfer sind solchen Quartieren nicht abgeneigt.
Hilke Steinecke, Kuratorin des Frankfurter Palmengartens, plädiert ebenfalls für tote Bäume, die man von Feuerbohnen und Prunkwinden umranken lassen könne: "Ich sehe darin einen absoluten Nutzen." Die Botanikerin erläutert den Sterbeprozess des Holzes: "Weißfäulepilze bauen das Lignin im Holz ab, Braunfäulepilze zersetzen die Zellulose."
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Eine Totholzhecke, wie sie der 2007 verstorbene Landschaftsgärtner Herbert Benjes verfochten hat, können sich nur Besitzer eines weitläufigen Naturgartens leisten. Wer seinen Holzschnitt nicht schreddern möchte, kann ihn zwischen zwei Holzpfählen aufschichten: unten die schweren Äste, oben die leichten Zweige. So ein Gestrüpp kann sich im Laufe der Zeit selbst zu einer Hecke entwickeln, wenn Vögel die passenden Samen ausscheiden.
Wenn nicht, dann siedeln sich Brombeeren an, die schwer zu bändigen sind, und Brennesseln, an denen wiederum Schmetterlingsraupen wie die des Tagpfauenauges und des Kleinen Fuchses zu Puppen heranreifen. Man kann die Hecke aber auch mit Waldreben, Waldgeißblatt, Himbeeren oder Wildrosen begrünen. Und es kommen Heckenbewohner: Igel, Spitzmäuse, Echte Mäuse und Mauswiesel. Auf jeden Fall, findet Hilke Steinecke: "Totholz ist eine schöne Sache."