Ex-Häftling und erfolgreicher Unternehmer – wie geht das zusammen?
Maren Jopen: Für viele Strafgefangenen gibt es keine Alternative: Nach ihrer Haftzeit ist es sehr schwierig, einen vernünftigen Job zu finden – potenzielle Arbeitgeber haben entsprechende Vorbehalte. Ehemalige Häftlinge kommen bei Bewerbungen selten umhin zu sagen, dass sie im Gefängnis waren. Daher bietet die Selbstständigkeit eine Möglichkeit, auf legale Art Geld zu verdienen, unabhängig von der Gunst eines Arbeitgebers. Und - verstehen Sie mich da nicht falsch - aber viele Strafgefangene besitzen tatsächlich unternehmerische Fähigkeiten: Für ihre illegalen Machenschaften haben sie sich etwas einfallen lassen, sind Risiken eingegangen – Fähigkeiten, die man auch zur Unternehmensgründung braucht.
Mit dieser Vorstellung sind Sie sicher auch auf Vorbehalte gestoßen, oder nicht?
###mehr-info###Jopen: Natürlich ist es ein sonderbares Unterfangen: Da rückt ein Vater-Tochter-Duo an und meint, es müsste jetzt unternehmerische Qualifizierung im Gefängnis anbieten. Dass diejenigen, die schon lange im Strafvollzug tätig sind, so etwas nicht kennen und deshalb zunächst skeptisch sind - das liegt auf der Hand. Dennoch bekamen wir die Zusage für ein Pilotprojekt. Das Ganze ist auch wissenschaftlich begleitet worden durch einen Lehrstuhl der Technischen Universität München. Auf dieser Basis hat der kriminologische Dienst der bayerischen Justiz ein Gutachten mit der Empfehlung erstellt, das Programm fortzusetzen.
Wie haben Sie sich auf die Arbeit im Gefängnis vorbereitet?
Jopen: In den USA gibt es ein ähnliches Angebot: Das Prison Entrepreneurship Programm in Texas. Über einen längeren Zeitraum haben wir dieses Programm besucht und haben sowohl mit Teilnehmern als auch den Programmleitern gesprochen. Mein Vater, der in Deutschland als Wirtschaftsdozent an Universitäten gelehrt hat und früher selber eine Reihe von Unternehmen gegründet hat, hat auch teilweise dort unterrichtet – so haben wir uns ein sehr umfangreiches Bild verschafft.
Eine Atmosphäre voller Aufbruch und Zuversicht
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie dort zum ersten Mal im Gefängnis waren?
Jopen: Das war erst einmal sehr beklemmend: Man musste durch die dicken Schleusen durch und es dominierte ein ganz eigenartiger Geruch. Aber als wir in den Kursraum kamen, wo das Programm unterrichtet wurde, herrschte dort eine ganz andere Atmosphäre, das hat mich sehr beeindruckt. Das klingt jetzt etwas pathetisch, aber es war tatsächlich so: Eine Atmosphäre voller Aufbruch und Zuversicht. Meinen Vater und mich hat das überzeugt. Und inzwischen geht es mir so, dass ich während des Unterrichts schnell vergesse, wo ich bin – denn dort wird diskutiert, erklärt, gepaukt und der Gefängnisalltag spielt eher eine Nebenrolle.
Wonach wählen Sie die Häftlinge aus, die an dem Programm teilnehmen?
Welche Gründungsidee haben Sie noch in Erinnerung?
Jopen: Ein Teilnehmer möchte ein spezielles Fitness-Angebot in Therapie-Einrichtungen anbieten. Er hat schon unterschiedliche Drogentherapien machen müssen und dabei festgestellt, dass die körperliche Ertüchtigung bei den Therapien nicht genug Raum findet. Für sich hat er gemerkt, dass der Therapie-Erfolg mit einem besonderen sportlichen Programm wesentlich größer sein kann. Er möchte also seine - eigentlich negativen - Erfahrungen künftig für etwas Positives nutzen. Dadurch hat er einen Wettbewerbsvorteil, weil er die Materie kennt und glaubwürdig den Klienten gegenüber auftreten kann. Er wird in den nächsten Monaten entlassen und fest vor, den Plan umzusetzen.
Ein Allheilmittel ist unser Programm leider nicht
Mussten Sie bisher bei Ihrer Arbeit auch Rückschläge einstecken?
Jopen: Nach der Haft halten wir gerne mit den Absolventen Kontakt, weil wir natürlich wissen möchten: Was wird aus Ihnen? Bei manchen klappt das leider gar nicht, das enttäuscht dann schon. Bei anderen funktioniert das aber auch sehr gut. Ein ehemaliger Häftling arbeitet jetzt sogar für uns und unterstützt uns unter anderem bei der Auswahl neuer Teilnehmer.
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Von den Häftlingen, die wir unterrichtet haben, sind inzwischen fünfzehn entlassen worden, davon ist bislang keiner rückfällig geworden. Wenn das passiert, wäre es natürlich eine große Enttäuschung. Aber wir müssen damit rechnen, dass das passieren kann. Unser Programm ist leider kein Allheilmittel.
Was motiviert Sie, mit Häftlingen zusammen zu arbeiten?
Jopen: Wir denken, auch wenn die Strafgefangenen teilweise wirklich schlimme Dinge gemacht haben - das ist trotzdem nicht aller Tage Abend. Wenn Menschen die richtige Anleitung bekommen und ihr Denken in die richtige Richtung gelenkt wird, kann man viel bewegen. Von meinem Vater weiß ich, dass ihn dieses ganze Thema "unternehmerisches Potenzial wecken" sehr reizt.
Was nehmen Sie persönlich mit?
Jopen: Sehr viel: Durch diese Arbeit habe ich einen wesentlich realistischeren Blick auf das Leben bekommen. Ich frage nicht mehr nach Schwarz und Weiß, sondern sehe: es gibt auch viel Grau. Ich schaue mir die Sachen wesentlich differenzierter an, bin sehr dankbar dafür, wie es bisher in meinem Leben gelaufen ist. Dazu gehört auch viel Glück.