Erdbeben traf eine Unruheregion

Foto: dpa/Str
Opfer des Erdbebens sitzen am 16. April 2013 außerhalb ihrer Häuser in der Stadt Saravan in der Region Sistan-Belutschistan im Südosten des Iran.
Erdbeben traf eine Unruheregion
Vor zehn Jahren wurde die historische Stadt Bam im Iran zerstört. Jetzt bebte wieder die Erde in der entlegenen iranisch-pakistanischen Grenzregion, die auch von politischer Gewalt erschüttert wird.
17.04.2013
epd
Agnes Tandler

Einen Tag nach dem heftigen Erdbeben an der pakistanisch-iranischen Grenze sind die Rettungsarbeiten in der entlegenen Region angelaufen. Das Ausmaß der Schäden blieb aber zunächst weiter unklar. Obwohl die Ausläufer des Bebens selbst Tausende Kilometer entfernt im indischen Neu-Delhi und in am Persischen Golf deutlich zu spüren waren, stuften die Behörden am Mittwoch vor Ort die Auswirkungen als eher gering ein.

In Pakistan wurden 41 Todesopfer bestätigt. Alle stammen den Angaben zufolge aus der Stadt Mashkeel in der südwestlichen Belutschistan-Provinz. Der Iran meldete lediglich Verletzte und korrigierte damit Angaben von Dienstag, wonach mindestens 40 Menschen umgekommen seien. Dennoch soll es das heftigste Beben im Iran seit 40 Jahren gewesen sein.

Immer wieder Anschläge auf Polizei und Armee

Die iranische Rote-Halbmond-Gesellschaft schickte 22 Rettungsteams, während in Pakistan Paramilitärs und Armee in das Krisengebiet entsandt wurden. Das Epizentrum des Bebens mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala befand sich in der Provinz Sistan-Belutschistan im Südosten Irans, nahe den Städten Kash und Sarawan - etwa 50 Kilometer von der Grenze zu Pakistan entfernt. Die beiden Städte haben zusammen etwa 100.000 Einwohner.

Der Gouverneur der iranischen Provinz erklärte, es gebe keine Todesopfer. Mehdi Zare vom Institut für Erdbeben-Technologie und Seismologie in Teheran erklärte im staatlich iranischen Sender "Press TV", das Beben sei zwar sehr stark gewesen, doch die betroffene Gegend sei nur dünn besiedelt. Die Region liegt in einer Erdbeben-Zone: Ein schweres Beben zerstörte im Dezember 2003 die historische Stadt Bam im Osten Irans. Mehr als 30.000 Menschen starben damals.

Die Region ist aber auch von politischen Spannungen geprägt, sowohl auf der iranischen als auch auf der pakistanischen Seite der Grenze. In der iranischen Provinz Sistan-Belutschistan kommt es immer wieder zu Anschlägen auf Polizei und Armee. Verantwortlich für die Attacken ist zumeist die Terrorgruppe Jundallah, die "Soldaten Gottes", eine radikal-islamische Organisation, die vor allem aus Belutschis besteht und deren extremistisch-sunnitische Ideologie sich vor allem gegen Schiiten und die Regierung Irans richtet.

Hauptschmuggelroute für Heroin nach Europa

In der Grenzregion zu Pakistan bombardiert die Gruppe Moscheen, Mädchen-Schulen, aber auch Truppen der iranischen Revolutionsgarde, einer Elite-Einheit des Militärs. Im Jahre 2005 verübte Jundallah einen Anschlag auf Irans Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad während dessen Besuch in der Provinz. Mindestens ein Leibwächter wurde dadurch getötet. Die Gruppe nutzt dabei das unsichere Pakistan jenseits der iranischen Grenze als ihr Rückzugsgebiet. Jundallah ist zudem für auch zahlreiche Anschläge auf schiitische Pilger in Pakistan verantwortlich.

In der Belutschistan-Provinz in Pakistan tobt seit Jahrzehnten ein blutiger Aufstand gegen die Regierung in Islamabad, der auf einen unabhängigen Staat zielt. Die Provinz ist reich an Öl, Gas und Bodenschätzen. Gaspipelines, die Zentral-Pakistan mit Energie versorgen, werden regelmäßig sabotiert. In der unsicheren Gegend blüht die Kriminalität: Geiselnahme, Drogenhandel und Auftragsmorde sind ebenso an der Tagesordnung wie Terroranschläge diverser radikal-islamischer Gruppen. Durch Belutschistan läuft zudem eine der Haupt-Schmuggelrouten für Opium und Heroin aus Afghanistan nach Europa.

Diese angespannte Situation macht die vom Erdbeben betroffene Region weder bei der pakistanischen noch bei der iranischen Regierung sonderlich beliebt. Erdbeben-Hilfe für diese unterentwickelte und dünn besiedelt Region ist daher nicht nur logistisch ein Problem.